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Periode als Kraft für den Sport nutzen

Frauen können ihren Monatszyklus im Sport nutzen. So lässt sich das Training individuell gestalten. Oft mit Erfolg, wie sich in der Schweizer Fussballnationalmannschaft der Frauen zeigte.

llustration: Sonja Berger

Wir Frauen sitzen alle im gleichen Boot – wir haben einen Menstruationszyklus, der unseren Alltag prägt. Die Menstruation galt bis vor wenigen Jahren noch als Tabu. Konnte man aufgrund von Periodenschmerzen kein Sport betreiben, wurde es oft nicht akzeptiert. Insbesondere Spitzensportlerinnen hatten keine Möglichkeit, im Training auf ihre körperlichen Bedürfnisse einzugehen. Sie trainierten im gleichen Schema wie ihre männlichen Kollegen. Die Hormone galten als störend und es gab nur wenige sportwissenschaftliche Studien, die sich mit den hormonellen Schwankungen einer Athletin auseinandersetzten. Doch das ändert sich heute.


Frauen trainieren bisher wie Männer

Die Forschung hat Frauen bis vor wenigen Jahren systematisch ignoriert, weil sie als Studiengruppe viel zu heterogen sind. Während Männer eine relativ einheitliche Gruppe bilden, müssen bei weiblichen Teilnehmerinnen mehrere Faktoren, wie zum Beispiel die Menstruation oder hormonelle Schwankungen während des Zyklus, beachtet werden. Das gilt auch im Sport. Obwohl sich der «Gender Data Gap» langsam zu schliessen beginnt, trainieren Frauen im Breiten- und Spitzensport meistens wie ein Mann. Stacy Sims, ehemalige Ausdauersportlerin und bekannte Wissenschaftlerin in der Gesundheits- und Fitnessbranche, traf den Nagel auf den Kopf als sie sagte: «Women are not small men – stop eating and training like one.»


In der Tat. Frauen sind keine klein gewachsenen Männer und entsprechend können Trainings- und Ernährungspläne von Männern nicht analog auf Frauen übertragen werden. Immer mehr Spitzensportlerinnen setzen sich für eine Enttabuisierung dieses Themas ein. Vermehrt wird nun auch aktiv in der Trainingsplanung auf den hormonellen Zyklus eingegangen und darüber gesprochen. Projekte wie «Frau und Spitzensport» von Swiss Olympics, möchten die Möglichkeit schaffen, dass Athletinnen optimal gefördert werden. Es ist also ein Thema, welches jede Frau betrifft. Um Athletinnen aber optimal sportlich zu betreuen, braucht es dementsprechend neue Methoden.

Training nach Zyklus

Das Trainieren nach Zyklus war bis vor wenigen Jahren noch komplettes Neuland. Für Frauen, und auch für Männer. Das ist schade, denn hinter dem Zyklusgesteuerten Training verbirgt sich ein enormes Potential, das Sportlerinnen gezielt ausschöpfen können. Denn, im Laufe eines Monatszyklus verändert sich der Hormonspiegel. Nutzen Frauen dieses Wissen, können sie ihr Trainingsverhalten individuell abstimmen – vorausgesetzt sie verwenden keine hormonellen Verhütungsmittel. Diese unterbinden das natürliche auf und ab der Hormone und verhindern das Heranreifen der Eizelle wie auch den Eisprung. Ob mit oder ohne Verhütungsmittel – das körperliche Wohlbefinden steht im Zentrum. Es wird nur so trainiert, wie der Körper es zulässt.


Wenn man nun den Zyklus betrachtet, der durchschnitt­lich 28 Tage dauert, wird erkenntlich, dass der ­Eisprung, auch Ovulation genannt, denn Zyklus in zwei Hälften teilt. In der ersten Zyklushälfte, der Follikelphase, produziert der Körper, unter Einfluss von reichlich Östrogen, follikelstimulierende Hormone (FSH), welche Ei­zellen heranreifen lassen und später den Eisprung auslösen. Das heisst also, dass im Körper direkt nach der Menstruation die Östrogenproduktion angekurbelt wird. Progesteron ist in dieser Zeit eher niedrig und somit ist auch die Körpertemperatur tiefer. Man kann besser mit der Hitze umgehen, kommt weniger ins Schwitzen und die Fettverbrennung ist erhöht.


Sobald Frau anfängt zu trainieren, wird eine Reaktion im Körper ausgelöst. Die Synapsen senden Signale an das Gehirn und dieses führt die Bewegungen aus. Befindet man sich gerade in der ersten Zyklushälfte, so ist das Hormon Östrogen vorhanden und kann genutzt werden, um mehr Energie zum Beispiel in das Krafttraining zu setzen.


Krafttraining bis zum Eisprung

In der Zeit vor dem Eisprung ist Krafttraining oder intensives Intervalltraining (HIIT) sehr effektiv. Das heisst, anstrengende Trainingseinheiten wechseln sich mit der Erholungsphase in schneller Folge ab. Dabei wird besonders der Herz-Lungen-Kreislauf angeregt sowie die Fettverbrennung. Insbesondere das Maximalkrafttraining (grösste Kraft, die ein Muskel oder eine Muskelgruppe gegen einen Widerstand ausübt) kann aufgrund des erhöhten Östrogenlevels noch effektiver sein. Aber auch Übungen wie Planks, bei denen mit dem Eigengewicht die Körpermitte, wie auch der ganze Körper trainiert wird, Rumpfbeugen (Crunches) oder Liegestützen sind zu empfehlen. Bis zum Eisprung, also am 14. Tag des Zyklus, können die Intensität der Übungen und auch die Trainingseinheiten immer weiter gesteigert werden. Durch das erhöhte Östrogenlevel steigt auch die Energie, viele Frauen fühlen sich in dieser Zeit so, als könnten sie Bäume ausreissen. Dazu kommt, dass Sehnen und Bändern dehnbarer sind.


Neben dem Krafttraining ist die Zeit vor dem Eisprung auch ideal für Dehnübungen. Mobilisieren, Dehnen oder Yoga fördern das Körpergefühl und wirken Verspannungen entgegen. Kombiniert mit den Kraftübungen wird mit Hilfe der Dehnungsübungen die Gelenksstabilität aufrechterhalten. Natürlich immer mit der nötigen Vorsicht, denn aufgrund des weicheren Bindegewebes und der erhöhten Beweglichkeit sollte sie nicht forciert, sondern kontrolliert ausgeführt werden. Wenn Frauen in dieser Zeitspanne Ausdauersport betreiben, zum Beispiel Joggen oder Radfahren, haben sie eine höhere Fettverbrennungsrate und einen geringeren Eiweissabbau. Besonders ausgeprägt ist dieser Nutzen in der frühen und späten Follikelphase. Das heisst, Ausdauertraining ist kurz nach der Menstruation und kurz vor dem Eisprung am effizientesten. Die Intensität des Trainings kann noch bis kurz nach dem Eisprung hochgehalten werden.


Lockeres Training vor der Mens

In der zweiten Zyklushälfte geht es gemächlicher zu und her. Das Hormon Progesteron beginnt zu steigen, während die Konzentration von Östrogen allmählich sinkt. Progesteron wirkt als Gegenspieler zu Östrogen und betrifft eher den Abbaustoffwechsel. Das heisst, dass die Körpertemperatur steigt und zugleich der Eiweissabbau erhöht ist. Die Krafterhaltung spielt in dieser Phase deshalb eine wichtige Rolle. Für Sportlerinnen heisst das, dass der ganze Trainingsumfang eher reduziert werden sollte und der Fokus auf Koordination und Prävention liegt. Das Sprichwort «Weniger ist mehr» trifft hier bestens zu. Ein leichtes Krafttraining mit weniger Gewichten aber mehreren Wiederholungen, Schwimmen oder Pilates tun dem Körper in dieser Zeit sehr gut. Nun ist auch Ruhe und Regeneration angesagt. Entspannungsmethoden oder Massagen regen die Durchblutung von Haut und Muskeln an. Nach dem intensiven Training während der Follikelphase ist diese Erholung und Stabilisierung wichtig, um im nächsten Zyklus optimal wieder zu starten.

Während der Menstruation gibt es kein richtig oder falsch. Es gilt das Motto: «go with the flow.» Man soll nur das tun, was sich gerade gut für den Körper anfühlt. Natürlich ist es je nach Frau unterschiedlich – für manche ist Krafttraining optimal, andere nehmen sich eine Auszeit vom Sport und die nächsten geniessen eine leichte Yoga-Session. Nicht zuletzt auch, um allfällige Menstruationskrämpfe zu lindern.

Nicht nur im Spitzensport

Jeder weibliche Körper ist verschieden. Das heisst, in den meisten Fällen können keine vorgefertigten Trainingspläne einfach so übernommen werden. Ein zyklusorientierter Trainingsplan, der auf Frau X abgestimmt ist, kann nicht auf Frau Y übertragen werden. Hier muss im Hinterkopf behalten werden, dass die individuellen Bedürfnisse und Empfindungen der Frauen angepasst sein. Oft braucht es etwas Zeit, bis man den perfekten Rhythmus für sich selbst gefunden hat.


Auch wenn die meisten Untersuchungen und Interviews mit Spitzensportlerinnen durchgeführt werden, die auf höchstem Niveau trainieren, können auch wir Ottonormalverbraucherinnen von diesem Konzept profitieren. Dabei ist es in erster Linie wichtig, sich mit dem eigenen Zyklus zu befassen. Führen Sie ein Periodentagebuch, schriftlich oder als App (Flo). In diesem können Sie protokollieren, in welcher Phase Sie welche Beschwerden haben oder was sich besonders gut anfühlt. Solch eine Auseinandersetzung ist auch deshalb positiv, weil man den eigenen Körper auf eine ganz neue Art und Weise kennenlernt. Offene Gespräche mit anderen Frauen geben Einsichten darüber, was andere Frauen gegen Periodenschmerzen tun oder welche Sportarten sie gerne machen.


Auch die Schweizer Fussball Nationalmannschaft der Frauen trainiert zyklusgesteuert. Die Fussballerinnen tracken den Zyklus über eine App auf dem Smartphone, in der sie ihre Beschwerden und Empfindlichkeit eintragen können. Mit Erfolg. Sie fühlen sich leistungsfähiger, können effizienter trainieren und verhindern auch Verletzungen, wie der Beitrag von SRF Impact «Menstruation und Leistungssport» vom 22.6.2022, berichtet. Das Zyklusgesteuerte Training befindet sich zwar noch in der Anfangsphase, es ist jedoch anzunehmen, dass es sich grundsätzlich für alle Sportarten im Spitzen- und Breitensport eignet. Noch fehlen Langzeiterfahrungen, doch eines ist klar: Trainiert man mit den Zyklusphasen, entsteht eine Harmonie im Körper. Wir gehen liebevoller und achtsamer mit ihm um und beherzigen, dass jede Frau ihren Körper am besten kennt und weiss, was sich gut anfühlt.

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