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Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Essen


Bitter, abgestanden und von gestern: Filterkaffee haben viele abgehakt. Dabei ist er der Liebling von Kaffee-Puristen – und gesünder, als andere Zubereitungsformen.




975 Tassen pro Kopf und Jahr: Die Schweiz ist ein Land der Kaffeetrinker. Am beliebtesten ist nach wie vor das Café Crème. Auch Espresso steht hoch im Kurs. Auf Filterkaffee hingegen lassen sich gerade einmal 14 Prozent der Konsumenten regelmässig ein. Das ist schade. Filterkaffee haftet noch immer ein schlechtes Image an: Von früher kennt man ihn so dünn, dass die Blumenverzierung im Tasseninneren durchschien – daher die Bezeichnung «Blümchenkaffee». In Hotels oder bei Tagungen wurde er aus Thermoskannen nachgegossen, Note «extra abgestanden». Und köchelte er lange auf der Warmhalteplatte der Kaffeemaschine vor sich hin, entwickelte er etwas Jaucheartiges. Überhaupt, bemängeln Experten, haben Generationen von schlechten Maschinen dazu beigetragen, den Ruf des gefilterten Kaffees vollends zu ruinieren. Kaffee für den Connaisseur Höchste Zeit, schlechte Erinnerungen zu tilgen. Filterkaffee kann nämlich richtig gut sein, wenn die Voraussetzungen stimmen. Zuerst braucht es Kaffeebohnen von 1-A Qualität – und Fachleute, die damit umzugehen wissen. «Das Verbrennen von Bohnen ist out, hellere Röstungen sind in», weiss die Barista und Buchautorin Johanna Wechselberger. Nur so kämen die spezifischen Aromen der jeweiligen Bohnensorten zur Geltung – ohne bitteren Beigeschmack. Wechselbergers Rat lautet deshalb: «Kaufen Sie Kaffee vom Röster Ihres Vertrauens.» Am besten bei einem kleinen Anbieter, der direkt mit den Farmern handelt und Wert legt auf hochwertigen Terroir-Kaffee. So erfahren Konsumenten, welche Sorten sie kaufen, in welcher Erde diese gewachsen sind und wie die Bohnen verarbeitet wurden. Umso besser, wenn dies biologisch und sozialbewusst geschieht.












Darüber hinaus kommt es auf die Zubereitung an (siehe unten). Kenner machen es heute gerne so, wie es vor mehr als hundert Jahren die deutsche Kaffeefilter-Erfinderin Melitta Bentz und nach ihr zahlreiche Hausfrauen im In- und Ausland taten: Sie überbrühen das Bohnenpulver von Hand und nehmen dafür einen Filter aus Papier. Melitta Bentz hatte anfangs mit dem Löschpapier aus den Schulheften ihrer Söhne experimentiert. 1908 liess sie ihre Erfindung patentieren.

Filterkaffee von Hand aufbrühen – so gelingts








Für Filterkaffee sind hell geröstete Bohnen geeignet. Weil die Aromen von Kaffeepulver schnell verduften, ganze Bohnen kaufen und sie erst kurz vor dem Zubereiten mahlen. Das Kaffeepulver sollte nicht zu fein sein; etwa so wie gröberer Kristallzucker. Es lohnt sich, in ein gutes Mahlwerk zu investieren. Handmühlen oder elektrische Exemplare sollten keine Schlagmesser haben. Diese produzieren Feinstaub, der den Kaffee bitter macht. Zudem ist das Mahlgut nicht gleichmässig genug und sehr grobe Partikel geben kaum Aromastoffe ans Wasser ab. Filterpapier in den Filterhalter einlegen und mit heissem Wasser ausspülen. Das ist wichtig, damit der Eigengeschmack des Papiers sich verflüchtigt. Nun das Kaffeepulver in den Filter geben. Für zwei Tassen nimmt man etwa 18 Gramm Bohnen. Das Wasser nicht zu heiss überbrühen: sprudelnd aufkochen und etwa eine Minute abkühlen lassen. Mit rund 95 Grad hat es die optimale Temperatur. Das Kaffeepulver zunächst mit wenig Wasser benetzen und es etwa eine halbe Minute quellen lassen – «blooming» nennen Experten diesen Vorgang, der wichtig ist, damit sich das Aroma entwickelt. Dann mit dem eigentlichen Aufbrühen beginnen – spiralförmig von innen nach aussen. Profis verwenden für das Aufgiessen spezielle Metallkannen mit einem langen, dünnen Ausgiesser, Schwanenhals genannt. Die Wassermenge lässt sich so optimal dosieren.

Von Bitterkeit keine Spur Wer heute Filterkaffee von Hand zubereitet, liebt es allerdings hip und stylish. «Pour-over» heisst die Prozedur. Junge Baristi schenken frisch Gefiltertes in schicken Cafés einer konsumbewussten Klientel ein. Oder messen sich bei Meisterschaften im perfektionierten Aufbrühen, das einer Wissenschaft gleicht. Die formschönen Utensilien sehen aus wie aus dem Designerladen, etwa der japanische Filterhalter «Hario V 60» oder die berühmte Chemex-Glaskaraffe mit Holzmanschette. Zu Hause lässt sich freilich auch der gute alte Porzellan-Filterhalter aktivieren, der vielleicht seit Jahren ungenutzt im Küchenfundus lagert. Oder man wird im Brockenhaus fündig. «Für die Zubereitung ist kein aufwendiges Equipment nötig und die Brühung von Hand ist schnell gelernt», schreibt Benjamin Hohlmann, Betreiber einer Kaffeeschule in Münchenstein (BL) und bekennender Filterkaffee-Fan, in seinem Blog. Er trinkt ihn am liebsten pur, ohne Rahm, Milch und Zucker. «So lässt sich den überraschenden Aromen am besten nachspüren.» Diese können an Pfeffer, Tabak oder Kokosnuss erinnern, aber auch fruchtig und blumig sein. Ein bisschen wie Pfirsich, Limette oder Lavendel und von Bitterkeit keine Spur. Im Gegenteil: Gemäss einer Studie der Chalmers Universität of Technology und der Umeå Universität, beide in Schweden, habe Filterkaffee, und nur dieser, die Eigenschaft, das Risiko von Diabetes Typ 2 zu senken. Dabei sei es aber wichtig, das Kaffeepulver nicht mit kochendem, sondern lediglich mit heissem Wasser zu übergiessen. Gefragt sind also Geduld und Aufmerksamkeit. Allein das sorgsame Aufbrühen benötigt bis zu drei Minuten Zeit. Eine Umstellung für jemanden, der den fixen Konsum aus der Kapselmaschine gewöhnt ist. Dafür tut sich eine neue (oder wiederentdeckte) Art des Geniessens auf – und das erst noch ohne Kunststoff- oder Alu-Abfall.

Buchtipp










Johanna Wechselberger «Filterkaffee. Der neue Kaffeetrend», Braumüller Verlag 2013, ca. Fr. 20.–

Kaffee mal anders Kaffee ist nicht nur flüssig ein Genuss. Auch Kaffee-Speisen erfreuen Geniesser. Wie wärs zum Beispiel mit knusprigen Kaffee-Brötchen zum deftigen Eintopf? Oder mit einem süssen Gewürz-Kaffee-Porridge mit Nussmus und Beerenkompott? Urdinkel-Kaffeebrötchen







Für 10–12 Stück Vorbereitungszeit: 3–4 Stunden oder über Nacht aufgehen lassen Zubereitungszeit: ca. 30 Minuten Back- oder Garzeit: ca. 20 Minuten Hefeteig 500 g UrDinkel-Halbweissmehl mit 20 Prozent Schrot- oder Ruchmehl 1½ TL Salz 1–2 EL Kaffeebohnen, frisch gemahlen 1 EL Rosmarin, fein gehackt 10 g Hefe, zerbröckelt ca. 2,5 dl Wasser 150 g Gschwellti, geschält, fein gerieben Garnitur wenig UrDinkel-Halbweissmehl mit 20 Prozent Schrot- oder Ruchmehl 1–2 EL Kaffeebohnen, grob zerstossen Zubereitung 1. Für den Teig Mehl, Salz, Kaffee und Rosmarin mischen. Die Hefe mit Wasser versetzen und die geschwellten Kartoffeln beifügen; nur kurz zu einem weichen Teig kneten. Den Teig zugedeckt 3–4 Stunden oder über Nacht an einem kühlen Ort aufgehen lassen. Dabei mehrmals aufziehen (dehnen und falten). 2. Teig in 10–12 Teile schneiden, Brötchen formen, auf das mit Backpapier belegte Blech legen und mit wenig Mehl bestäuben. Die Brötchen kurz aufgehen lassen, einschneiden und mit Kaffee bestreuen. 3. Den Backofen auf 230 °C vorheizen. Die Brötchen in der unteren Hälfte einschieben und die Temperatur auf 190 °C reduzieren. Brötchen 15–20 Minuten knusprig und braun backen, herausnehmen und auf einem Kuchengitter auskühlen lassen. Tipps Die Brötchen mit Butter, geräuchertem Fleisch oder Käse servieren. Ebenfalls passen sie gut zu Suppe oder rustikalen Eintöpfen.

Urdinkel-Porridge mit Gewürzkaffee-Zucker










für 4 Personen Zubereitung: ca. 40 Minuten Porridge ½ l Milch oder Mandel-, Hafer- oder Reisdrink ½ l Wasser 1 Prise Salz 1 Vanilleschote, aufgeschnitten 2–3 EL Rohzucker ca. 150 g UrDinkel-Flocken oder -Schrot Gewürz-Kaffee-Zucker 75 g Rohzucker 1 EL frisch gemahlener Kaffee ½ TL Zimtpulver wenig Galgant- und Ingwerpulver 1–2 Bananen 180 g Rahmjoghurt 4 EL Nussmus, z.B. Haselnuss oder Mandelmus Zubereitung 1. Für den Porridge Milch und Wasser aufkochen, Salz, Vanilleschote, Rohzucker und UrDinkel-Flocken zugeben, unter häufigem Rühren 15 bis 20 Minuten zu einem Brei kochen. Auf der ausgeschalteten Wärmequelle kurz zugedeckt ausquellen lassen. 2. Zutaten für den Gewürz-Kaffee-Zucker mischen. 3. Porridge in Schalen verteilen. Bananen in Scheiben schneiden und darauflegen, mit Joghurt, Nussmus und Gewürz-Kaffee-Zucker garnieren, warm servieren. Tipps Nach Belieben mit Aprikosen-, Birnen-, Kirschen- oder Beerenkompott ergänzen. Statt Nussmus Schokoladen- oder Karamellsauce, Beerencoulis oder Konfitüre auf den Porridge geben. Der Porridge kann im Kühlschrank 3 bis 4 Tage zugedeckt aufbewahrt werden. Mit wenig Wasser oder Milch unter Rühren erwärmen. Rezept aus dem «UrDinkel Kochbuch» von Judith Gmür-Stalder. Dieses ist im Onlineshop auf www.urdinkel.ch oder per Telefon 034 409 37 38 erhältlich.



Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Essen


Die Situation könnte kaum paradoxer sein: Das Angebot an Lebensmitteln war nie so vielfältig wie heute. In diesem Schlaraffenland leiden jedoch immer mehr Menschen unter ernährungsbedingten Störungen. Woran liegt das und was kann man dagegen tun?




Es ist kompliziert geworden. Was soll heute auf dem Mittagstisch stehen: Nasi Goreng, ein veganes Menü, Rohkost, Tofu-Geschnetzeltes, Sushi, Smoothie, ein Trennkostmenü oder gar eine steinzeitliche Paleo-Diät? Die Speisenauswahl war noch nie so üppig wie im 21. Jahrhundert. Auch ausserhalb der eigentlichen Saison ist vieles verfügbar: Spargeln aus Mexiko, Frühkartoffeln aus Ägypten, Birnen aus Südafrika oder Erdbeeren aus Spanien. Während die Generationen vor uns assen, was der Garten hergab, was saisonal auf dem Markt erhältlich war oder im Vorratskeller lagerte, wird heute der Lebensmitteleinkauf zur Heraus-, ja mitunter Überforderung. Kriterien wie Bioqualität, Fair Trade, tiergerechte Haltung, Regionalität oder Freiheit von Palmöl und bedenklichen Zusatzstoffen sind nur einige der abzuwägenden Kaufargumente. Manche Konsumenten wiederum verzichten auf einzelne Lebensmittel, weil sie die Regierungspolitik der entsprechenden Herkunftsländer nicht unterstützen wollen. Das Essen wird damit zum politischen Manifest. Zur Gewissensfrage wird es bezüglich der Umwelt: Monokulturen brauchen Unmengen an Pestiziden, welche Boden und Grundwasser vergiften, und tragen zum Artensterben bei. Ganz zu schweigen von den Antibiotikarückständen im Schweinefleisch und den Schwermetallrückständen im Fisch aus den ohnehin übernutzten Weltmeeren.











Zwischen Appetit und Vernunft Bei verantwortungsbewussten Menschen schwingt beim Essen ein gewisses Grundmisstrauen. Darf man wirklich mit gutem Wissen geniessen, was auf dem Teller liegt? Ihren Teil zur Skepsis beigetragen haben auch die zahlreichen ans Licht gekommenen Skandale der letzten Jahre wie undeklariertes Pferdefleisch in der Lasagne, Gammelfleisch, BSE, EHEC etc. Und so ist heutzutage nicht die Lust aufs Essen und Trinken vorrangiges Kriterium beim Einkauf, sondern die persönliche Weltanschauung und Lebenseinstellung, oft gekoppelt mit der Sorge um die eigene Gesundheit. Die ständige Ambivalenz zwischen Appetit und Vernunft bringt das Essverhalten vieler Menschen durcheinander. Mit der Zeit trauen die Konsumenten infolge der vielen kritischen Medienberichte zu Lebensmittelthemen ihren Instinkten nicht mehr: Was einem das Wasser im Mund zusammen laufen lässt, ist vielleicht alles andere als unbedenklich. Sind im Grillierten womöglich krebserregende Schadstoffe enthalten? Übersäuert der Pausensnack den Organismus? Verschleimen Milchprodukte den Körper? Und was ist mit all den Zusätzen, dem Zucker und Salz in Fertigprodukten? Der einst so natürliche und freudige Vorgang des Essens hat eine übergrosse Aufmerksamkeit bekommen, die nicht vom Geniessen, sondern von der Skepsis genährt wird. Gut gemeint, aber ... Kein Wunder behaupten Kritiker, für manche Menschen sei das Thema Ernährung mittlerweile zu einer Art Ersatzreligion geworden. Aus der Luft gegriffen ist diese Einschätzung nicht: die Medizin kennt das Krankheitsbild der «Orthorexia nervosa», den Zwang gesund zu essen. Im fortgeschrittenen Stadium konsumieren Betroffene nur noch eine geringe Auswahl an Nahrungsmitteln, weil sie die restlichen für ungesund halten und deshalb meiden. Kinderspitäler ihrerseits vermelden, dass die Patientenzahlen mit Symptomen einer Fehlernährung zunehmen. Weil Eltern ihre Liebsten mit vermeintlich besonders gesunder Nahrung versorgen wollen, weisen zunehmend mehr Kleinkinder Defizite an einzelnen Aufbaustoffen auf. Einige Mütter und Väter standen schon vor Gericht, weil ihre Kinder die Auswirkungen dieser Extremdiäten nicht überlebt haben. Weitere Fakten verdeutlichen, dass sich das Essen für manche Menschen vom Vergnügen zum Problem gewandelt hat. Ärzte für Magen-Darm-Krankheiten registrieren in den letzten Jahren vermehrt Patientinnen mit häufigen Blähungen, Bauchkrämpfen und Störungen bei der Stuhlentleerung. Ursache ist öfters der Ernährungsstil, der vor allem aus Früchten, Beeren, Nüssen, ungekochtem Gemüse und Smoothies besteht. Bei deren Verdauung entstehen übermässig viele Gase, die die beschriebenen Beschwerden auslösen können. In einer Umfrage der renommierten Berliner Klinik Charité gaben 35 Prozent der 13'300 Befragten an, nach dem Essen unter heftigen Beschwerden zu leiden. Medizinisch ist dieses Ergebnis kaum zu erklären, eher psychologisch: die vielen Medienberichte über Laktose- und Glutenintoleranz, Histaminunverträglichkeit und Lebensmittelallergien verunsichern. Gemäss einer Studie aus Deutschland gibt es auch immer mehr Patienten im Alter von 23 bis 27 Jahren mit Verdacht auf Reizdarm. Im Zeitraum von zwölf Jahren ist deren Zahl um 70 Prozent gestiegen. Die Betroffenen vermuten bei sich selber oft Unverträglichkeiten und beginnen im Internet zu recherchieren – eine Fundgrube für diffuse Diagnosen, allerlei Rezepte und Diätempfehlungen, Kalorientabellen, Angebote an Nahrungsergänzungsmittel und vielem mehr. Unverhofft wird die vermeintliche Informationsfund- zur verwirrenden Fallgrube.

Bei Empfehlungen zur gezielten Nahrungsaufnahme sollte man grundsätzlich skeptisch sein, zu pauschal sind die Angaben. Zum einen leben Menschen sehr unterschiedlich: Eine im Alltag körperlich geforderte Pflegefachfrau im Schichtdienst hat einen anderen Energiebedarf als eine Buchhalterin, die am Bildschirm arbeitet. Zum anderen erweisen sich die Ableitungen verschiedener Ernährungsstudien als methodisch zweifelhaft: Erkenntnisse, die an Labormäusen gewonnen wurden, lassen sich nun mal nicht unmittelbar auf Menschen übertragen.


Instinktiv essen Doch wo liegt nun die Lösung dieses Dilemmas rund um das Essen? In uns selber, betonen verschiede Ernährungsexperten. Der Körper wisse genau, was er benötige. Er besitze eine kulinarische Intelligenz. Die Empfehlung der Fachleute: Wenn wir uns darin üben, darauf zu achten, was der Körper signalisiert, versorgen wir ihn ausgewogen mit allem Nötigen und muten ihm keine Speisen mehr zu, die er nicht verträgt. Am radikalsten setzen dies die sogenannten Instinktos um (siehe Box unten). Sie wählen ihre Mahlzeiten nicht mit dem Kopf aus, sondern vertraut ganz ihren Sinnen, vor allem dem Geruchs- und dem Geschmackssinn. Sie essen ausschliesslich Rohkost und salzen und würzen ihr Essen nicht, da jede Veränderung der Nahrung den Instinkt überliste. Dafür essen sie alles, was im Naturzustand gut riecht und gut schmeckt, auch Fleisch und Eier (aus artgerechter Haltung!). Alle naturbelassenen Lebensmittel sind bei der Instincto-Ernährung erlaubt, nur auf Milch (mangelhafte genetische Anpassung) und Weizen (Überzüchtung) wird verzichtet, da beide das Immunsystem unterminierten und allergische Symptome hervorrufen könnten. Die Empfehlung, sich auf die kulinarische Körperintelligenz zu verlassen, gilt für Gesunde. Menschen mit chronischen Leiden finden bei anerkannten Ernährungsberatern fachkundigen Rat. Doch auch für sie gilt die Redensart «Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen». Genussvolles zu Tischsitzen ist ein essenzieller Faktor der Lebensqualität; wenn dagegen die Ernährung zum weltanschaulichen Manifest oder zum Experimentierfeld wird, kann sie einem leicht den Appetit verderben. Und wer will das schon?








Instincto-Therapie Begründer der Instincto-Therapie, eine besondere Form der Rohkosternährung, ist der Schweizer Musiker und Physiker Guy-Claude Burger (*1934). Er litt an fortgeschrittenem Rachenkrebs und genas durch die Rückkehr zu einer naturbelassenen, ursprünglichen Lebensweise. Auf dem Weg seiner Genesung entdeckte er das Vorhandensein des Ernährungsinstinkts beim Menschen. Demnach sind wir in der Lage, über Geruch und Geschmack, das Lebensmittel herauszufinden, das dem Körper exakt die Stoffe zuführt, die er im Moment braucht. Burger zufolge müssen die Lebensmittel Rohkost sein und dürfen durch keine thermischen oder chemischen Prozesse oder gar Bestrahlung denaturiert sein. Idealerweise wird auch eine mechanische Veränderung vermieden. Zusätzlich werden Lebensmittel nicht miteinander gemischt – es wird also immer nur ein Lebensmittel gegessen. Gemäss einer Studie des französischen Instituts für Genetische Anthropologie ist die Nährstoffversorgung von Instinktos überdurchschnittlich gut. Es ist allerdings nicht leicht, die Praxis in den Alltag einzubauen. Ein Plus hingegen ist der genussbetonte Charakter, der vielen anderen alternativen Ernährungsformen abgeht. Zudem kann, wer diese Form von Ernährung praktiziert, das Urvertrauen in den eigenen Körper zurückgewinnen und Burgers sicherlich bedenkenswerte Ideen ganz auf seine Bedürfnisse anpassen.

Buchtipps ● Thomas Frankenbach «Somatische Intelligenz. Hören, was der Körper braucht», Koha-Verlag 2014, ca. Fr. 20.– ● Uwe Knop «Intuitiv essen. Aktiviere dein natürliches Schlankheitsprogramm», Riva-Verlag 2017, ca. Fr. 16.– ● Udo Pollmer u.a. «Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Wie Lebensmittelskandale erfunden und benutzt werden», Rowohlt-Verlag 2012, ca. Fr. 13.–

Fotos: iStock.com

Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Essen


Ob Vegi-Restaurant oder Gourmet-Tempel: Süsskartoffeln liegen im Trend. Immer öfter bekommt man sie aus Schweizer Anbau, zum Beispiel aus dem Seeland. Wer dort geerntete Ware kauft, unterstützt auch Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge.




Genormt, blank poliert und feinsäuberlich einsortiert: In der Gemüseabteilung tanzt nichts aus der Reihe. Es sei denn, es werden Süsskartoffeln angeboten. In allen Grössen und Formen liegen sie in einer Kiste, kreuz und quer. Zugegeben: Optisch sind die rot-braunen Knollen keine Offenbarung, und wer sich welche aussucht, hat Erdreste an den Händen. Das Zugreifen lohnt sich trotzdem. Denn die Süsskartoffel hat es in sich, und damit ist nicht nur ihr hoher Gehalt an gesunden Nährstoffen gemeint (siehe Box). Sie ist unschlagbar vielseitig – zubereiten lässt sich mit ihr praktisch alles: Suppe oder Carpaccio, Gratin oder Püree. Beliebt sind darüber hinaus Currys, Rösti sowie Gnocchi als vegetarische Hauptspeisen. Und natürlich eignet sich die süss schmeckende Knolle als Zutat für Desserts – Crème brulée gelingt damit ebenso wie Glace. Kein Wunder also, sind Süsskartoffeln in der kreativen Küche und bei Foodbloggern die neuen Lieblinge.


«Eine Nacht mit leichtem Bodenfrost genügt und die Pflanzen sterben ab. Je milder das Jahr, desto besser das Wachstum.»

«Batati – Schweizer Süsskartoffeln» Freilich stehen einem auch daheim sämtliche Zubereitungsarten offen: Man kann Süsskartoffeln backen, dämpfen, dünsten, frittieren oder kochen. Und je nachdem, wie sie zubereitet werden, bekommen sie eine andere Geschmacksnote. Gekocht erinnert das süsslich-frische Aroma an Möhren, gebacken entwickelt sich ein kürbis- oder maroniähnlicher Geschmack. In Stücke schneiden, mit Rapsöl bestreichen und hinein damit in den Ofen – so schmecken Simon van der Veer Süsskartoffeln am besten. Selbstredend nimmt der Landwirt dafür welche vom eigenen Feld. 2014 fing er mit seinem Schwager Christian Hurni damit an, im Seeland Süsskartoffeln anzubauen; zunächst mit kleinen Versuchsmengen. Mittlerweile sind weitere Produktionsbetriebe hinzugekommen und die Anbaubaufläche erstreckt sich auf 25 Hektaren. Die Ernte kommt unter dem Label Batati in den Handel.

Gesund und sogar roh geniessbar






Es muss nicht immer Importware aus fernen Ländern wie den USA sein. Süsskartoffeln gibt es auch aus Schweizer Anbau. Sie sind von Oktober bis März erhältlich, inzwischen auch bei Grossverteilern. www.terralog.ch und www.batati.ch Gute Süsskartoffeln sind gleichmässig gefärbt und fühlen sich fest an. Nicht im Kühlschrank lagern, sondern in einem trockenen, dunklen Raum bei maximal 20 Grad, z.B. im Keller. Süsskartoffeln sind sehr gesund und haben mehr wertvolle Inhaltsstoffe als normale Kartoffeln, darunter Folsäuren, Kalium, Magnesium, die Vitamine C, E, B2 und B6 sowie Betacarotin. In der Schale befindet sich zudem Caiapo, ein sekundärer Pflanzenstoff, der den Blutzuckerspiegel und Bluthochdruck senken soll. Die Empfehlung lautet da‑ her: am besten mit Schale essen. Diese vorher gründlich unter fliessendem Wasser abwaschen. Im Gegensatz zu normalen Kartoffeln lassen sich Süsskartoffeln auch roh geniessen, etwa geraffelt im Salat. Geschälte Süsskartoffeln am besten gleich weiter‑ verarbeiten. Bleiben sie noch eine Weile liegen, ins kalte Wasser geben, damit sich das Fruchtfleisch nicht verfärbt. Süsskartoffeln lassen sich roh oder gekocht einfrieren. Nach dem Auftauen idealerweise sofort verarbeiten und geniessen. Mit normalen Kartoffeln sind Süsskartoffeln übrigens nicht verwandt. Erstere gehören zu den Nachtschatten-, Letztere zu den Windengewächsen. Einzige Gemeinsamkeit sind die unterirdischen Speicherwurzeln in Knollenform – das, was wir essen. In Afrika werden allerdings auch die auf dem Boden wachsenden Triebe und Blätter verwertet und zu einer Art Spinat verarbeitet.









Anspruchslos, aber verletzlich Die ursprünglich aus Mittelamerika stammende Süsskartoffel – auch Batate genannt – ist Wärme gewöhnt. Deshalb ist es klug, die Eisheiligen abzuwarten, bevor sie hierzulande in den Boden kommen. «Eine Nacht mit leichtem Bodenfrost genügt und die Pflanzen sterben ab», sagt Simon van der Veer. Grundsätzlich gelte: Je milder das Jahr, desto besser das Wachstum. Zudem seien leichte, sandige Böden zu bevorzugen, weil sich diese schneller erwärmen. Ansonsten brauchen Süsskartoffeln etwas Wasser zum Anwachsen. «Danach sind die Pflanzen relativ anspruchslos.»












Superfood | Süsskartoffeln enthalten wenig Fett, viele Mineralstoffe und Vitamine.

Allerdings ist die Schale empfindlich und schnell verletzt. Deshalb werden die Knollen mit einem speziellen Erntegerät vorsichtig aus dem Boden gehoben. Danach müssen sie auf dem Feld von Hand zusammengelesen, vorsortiert und in Kisten gepackt werden. Dann kommen die Süsskartoffeln mehrere Wochen ins klimatisierte Lager, wo sie eine dickere Schale entwickeln. Auf den Süsskartoffelfeldern im Seeland helfen keine Saisonniers, wie es normalerweise üblich ist. Beschäftigt sind Langzeitarbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge. Sie werden vom gemeinnützigen Landschaftswerk Biel-Seeland vermittelt, das sich für berufliche Integration einsetzt. Die Idee dahinter: einheimische Produktion mit sozialem Engagement verbinden.

Batate auf den Tisch! Süsskartoffeln aus Schweizer Anbau bringen einen exotischen Hauch in die Küche. Wie wäre es zum Beispiel mit feinen Gnocci als Hauptgang oder einem würzigen Linsendip zu feinen Süsskartoffeln?









Urdinkel-Süsskartoffel-Gnocchi für 4 Personen Gnocchi 600 g Süsskartoffeln, ca. 400 g Püree 1 Ei, verquirlt Salz, Pfeffer, Muskatnuss ca. 150 g UrDinkel-Halbweiss oder UrDinkel-Weissmehl UrDinkel-Halbweiss- oder UrDinkel-Weissmehl, zum Formen 2–3 Handvoll Salbeiblättchen 100 g Butter geröstete Kürbiskerne, für die Garnitur Sbrinz, zum Bestreuen Salbeizweiglein, für die Garnitur Zubereitung 1. Süsskartoffeln längs halbieren, mit der Schnittfläche nach unten auf das mit Backpapier belegte Blech legen und in der Mitte des auf 200 °C vorgeheizten Ofens 30 bis 35 Minuten backen. 2. Süsskartoffeln ein wenig abkühlen lassen. Fruchtfleisch mit einem Esslöffel aus der Schale lösen und in eine Schüssel geben, mit Kartoffelstampfer oder Gabel fein zerdrücken. Ei, Gewürze und Mehl unter die noch warmen Süsskartoffeln rühren. Aus dem Süsskartoffelteig mit wenig Mehl fingerdicke Rollen drehen, diese in 2 bis 3 cm lange Stücke schneiden, auf ein Backpapier legen. Für gerillte Gnocchi Teigstücke mit gerilltem Holz oder einer Gabel zeichnen. 3. Gnocchi im Steamer bei 100 °C 15 bis 20 Minuten pochieren. Oder Gnocchi im knapp kochenden Salzwasser kochen, bis sie an die Oberfläche steigen. Mit Schaumlöffel herausnehmen, gut abtropfen lassen. Warm halten. 4. Salbei in der Bratpfanne in der Butter braten. 5. Gnocchi auf einer vorgewärmten Platte oder auf vorgewärmten Tellern anrichten. Salbeibutter darüber verteilen. Mit Kürbiskernen und Sbrinz bestreuen. Salbeizweiglein dazulegen. Sofort servieren. Tipps Gnocchi im Voraus zubereiten und bis zum Servieren kühl stellen. Kurz in Butter braten und mit Salbei und Sbrinz garnieren. Rezept Rezept aus dem neuen Kochbuch «UrDinkel – Feste feiern» von Judith Gmür-Stalder. Erhältlich im Onlineshop auf www.urdinkel.ch oder per Telefon 034 409 37 38

Würzige Süsskartoffeln mit Linsen-Dip für 2 Personen







100 g Beluga-Linsen, siehe Einleitungstext 700 g Süsskartoffeln Salz 1,5 Teelöffel edelsüsser Paprika 1,5 Teelöffel milder Curry 2 Prisen Cayennepfeffer 1 Teelöffel getrockneter Oregano 2 Esslöffel Olivenöl 180 g griechischer Joghurt nature oder saurer Halbrahm 1,5 Esslöffel körniger Senf 1 Bund Schnittlauch Beluga-Linsen sehen aus wie kleine Kaviarkörner, deshalb auch ihr Name. Sie sind im Aroma nussartig und bleiben beim Kochen schön fest. Ersetzt werden können sie in diesem vegetarischen Gericht durch grüne Linsen, die je nach Qualität und Sorte eventuell 5–10 Minuten länger garen müssen. Zubereitung 1. Den Backofen mit Umluft (sehr empfehlenswert) auf 200 Grad vorheizen. 2. Die Beluga-Linsen in eine Pfanne geben und gut mit Wasser bedecken. Aufkochen, dann zugedeckt auf kleinem Feuer je nach Qualität (Packungsangaben beachten) 20–30 Minuten weich garen. 3. Inzwischen die Süsskartoffeln unter fliessendem Wasser abbürsten, jedoch nicht schälen. Die Süsskartoffeln in etwa 1 ½ cm dicke Schnitze schneiden. In eine Schüssel geben, mit Salz und anschliessend Paprika, Curry, Cayennepfeffer und Oregano bestreuen. Das Öl darüber träufeln und alles gut mischen, damit die Süsskartoffeln gleichmässig mit der Würz-Öl-Mischung überzogen sind. Auf ein mit Backpapier belegtes Blech geben und gut verteilen. 4. Die Süsskartoffeln im 200 Grad heissen Ofen auf der zweituntersten Rille 25–30 Minuten weich backen. 5. Inzwischen die Linsen in ein Sieb schütten. Gut abtropfen, dann etwas abkühlen lassen. 6. Den Joghurt oder sauren Halbrahm mit etwas Salz sowie dem Senf verrühren. Den Schnittlauch in Röllchen schneiden und beifügen. Zuletzt die Linsen untermischen. 7. Die Süsskartoffeln auf vorgewärmten Tellern anrichten, etwas Linsen-Dip darüber verteilen und den Rest separat dazu servieren. Sehr gut passt ein Nüssli- oder Friséesalat dazu, nach Belieben mit einer Senf-Vinaigrette angemacht. Rezept Rezept aus «Annemarie Wildeisens Kochen». Mehr Rezepte unter www.wildeisen.ch

Fotos: annemarie wildeisens kochen | urdinkel.ch | rolf neeser, tom gerber, iStock.com

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