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Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Natur


Mit ein paar Quadratmetern Balkon und ein wenig Kreativität kann man selbst mitten in der Stadt einen kleinen Nutzgarten anlegen. Warum Sie das jetzt tun sollten und worauf dabei zu achten ist – Tipps für Anfänger und Fortgeschrittene.


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Viele Küchenkräuter, Gemüse und Salate lassen sich problemlos auf dem Balkon kultivieren. Ein Zitronenbäumchen, Kartoffeln, Schnittlauch, Kapuzinerkresse, Borretsch oder Goldmelisse sind nicht nur gesunder Gaumenschmaus, sondern auch äusserst dekorative Elemente auf dem Balkon. Unserer ist sonnig und windgeschützt und somit hervorragend geeignet für den Anbau wärmeliebender Gemüsearten wie Auberginen, Paprika oder Tomaten. Für Salatliebhaber empfehle ich schnell wachsende Pflücksalate – sie gedeihen im Balkonkasten ideal. Und auch Küchenkräuter wie Basilikum, Petersilie, Dill, Thymian, Rosmarin, Fenchel, Salbei und Kamille sollten auf keinem Balkon fehlen. Eine meiner Lieblingspflanzen ist der Strauchbasilikum. Er blüht sehr schön und seine weissen bis violetten Blüten ziehen Hummeln und Bienen an, die wichtige Bestäubungsarbeit leisten. Meine Kräutertöpfe prüfe ich regelmässig auf Trockenheit, denn an sonnigen Tagen trocknen sie sehr schnell aus. Je nach Standort giesse ich täglich. Verholzende mediterrane Kräuter wie Rosmarin, Thymian, Oregano, Lavendel und Salbei sind etwas trockenresistenter.

«Obst und Beeren sind für mich Lebenslust pur. Auch wer nur einen kleinen Garten oder bloss einen Balkon oder eine Terrasse hat, kann selbst gezogenes Obst geniessen.»

Immerfort säen und ernten Ich säe unsere Lieblingskräuter im zwei Wochen Rhythmus in verschiedene Töpfe, sodass wir den ganzen Sommer hindurch frische Kräuter für die Küche ernten können. Zugekaufte Pflanzen stehen im Topf meist viel zu eng und würden nach wenigen Wochen eingehen. Darum lohnt es sich, die Pflanzen auf verschiedene Töpfe oder Balkonkästen aufzuteilen. Damit die Kräuter genügend Platz haben, wähle ich Balkonkästen mit einer Länge von etwa einem Meter und Pflanzen nicht mehr als vier verschiedene Kräuter in einen Kasten. Noch lieber pflanze ich die Kräuter aber einzeln in genügend grosse Töpfe, damit sie sich nicht gegenseitig konkurrenzieren. Vorgezogene Tomatenpflanzen kaufe ich auf dem Wochenmarkt und in der Bio-Gärtnerei. Das hat den Vorteil, dass man sie anschliessend direkt in Kübel auf dem Balkon setzen kann. Ich binde die Tomatensetzlinge beim Pflanzen mit Bast an einem Bambusstab fest, das bewahrt sie vor dem Umknicken. Schnellwachsende Sorten müssen immer wieder neu aufgebunden werden. Um der Tomatenpflanze ein schönes, gleichmässiges Wachstum zu verschaffen, geize ich sie regelmässig aus. Geiztriebe sind die aus den Blattachseln wachsenden Seitentriebe, die der Pflanze unnötig Kraft rauben. Die unerwünschten Nebentriebe sind sehr weich, man kann sie ganz einfach mit den Fingern ausknipsen. Versäumt man es, die Tomate regelmässig auszugeizen, wachsen sowohl der Stamm wie auch die Früchte schlechter, da die Pflanze zu viel Kraft in die Geiztriebe steckt. Gelbe und kranke Blätter entferne ich ebenfalls laufend, da sie von Krankheitserregern befallen sein könnten. Krankes Pflanzengut bitte nicht kompostieren, sondern besser verbrennen oder mit dem Müll entsorgen. Obst und Beeren sind für mich «Lebenslust pur». Auch wer nur einen kleinen Garten oder bloss einen Balkon oder eine Terrasse hat, kann selbst gezogenes Obst geniessen. Dabei kann man Zwerg- und Säulenobst im Kübel mit Walderbeeren unterpflanzen – so erzielt man auf beschränktem Platz eine vielfältigere Ernte. Das richtige Bepflanzen Eine Vielzahl von Pflanzengefässen kann man im Gartencenter kaufen. Vom einfachen Kunststofftopf über Tongefässe bis hin zum Balkonkasten aus Holz. Damit das Angepflanzte nicht vertrocknet oder verbrennt, verzichte ich auf schwarze Plastiktöpfe, die sich in der Sonne erhitzen; sowieso bevorzuge ich Tongefässe. Sie speichern überschüssiges Giesswasser und geben es später wieder an die Erde ab. Durch das Vollsaugen mit Wasser und das anschliessende Verdunsten, überhitzen Tongefässe nicht so schnell. Pflanzen wie Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen brauchen genügend grosse Töpfe, während für die meisten Kräuter kleinere Töpfe oder Balkonkästen ausreichen. Wärmeliebende Kräuter wie Rosmarin oder Eisenkraut pflanze ich einzeln in Tontöpfe, die ich im Herbst an warme Standorte in der Küche oder im Wintergarten stelle, sodass ich auch in den kalten Monaten ernten kann. Als Pflanzenerde verwende ich biologische Blumenerde, die ich mit etwas Kompost anreichere. Eine gute Drainage im Pflanzkübel ist wichtig, damit sich keine Staunässe bildet, die längerfristig dazu führt, dass die Pflanze krank wird oder abstirbt. Wichtig ist, dass der Topf genügend Abflusslöcher hat. Bei Bedarf bohre ich mit einem Steinbohrer Löcher in den Tonboden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Wasser durch mehrere kleine Löcher besser abfliesst, als durch ein grosses Loch in der Mitte des Topfes. Damit die Löcher nicht verstopfen und das überschüssige Wasser gut abfliessen kann, sollten die Pflanzengefässe eine genügend dicke Lage Drainagematerial enthalten. Ich wähle dazu entweder groben Kies, Tonscherben oder Astmaterial. Damit fülle ich das Gefäss bis zu einem Drittel. Darauf gebe ich ein durchlässiges Vlies, damit sich die Pflanzenerde nicht mit dem Drainagematerial vermischt und die Abflusslöcher verstopft. Wichtig ist auch, dass die Gefässe nicht direkt auf dem Boden stehen und dadurch die Abflusslöcher blockiert sind. Auf das Vlies gebe ich immer eine Lage Brennnesseln und Beinwellblätter, um den Pflanzen eine optimale Starthilfe zu geben, und fülle dann den Topf mit guter Gartenerde auf.

Gartenarbeiten im Mai

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Nutzgarten ● Viele Gemüse können direkt in vorbereitete Beete gesät werden, z.B. Karotten, Lauchzwiebeln, Radieschen, Rettiche sowie Salate. ● Bis Mitte Monat sollten alte, fast vergessene Wurzelgemüse wie Pastinake und Petersilienwurzel gesät sein. ● Direkt gesät werden auch Kräuter wie Borretsch, Dill, Petersilie, Rucola, Schnittlauch, Kamille, Kresse, Kerbel- und Bohnenkraut sowie Basilikum. ● Dichte Saaten ausdünnen. Die Pflänzchen sind so auszulichten, dass ausreichend Abstand zur Entfaltung vorhanden ist. ● Gemüsesetzlinge (z.B. Salat, Kohl) regelmässig pflanzen. Dabei Fruchtfolge und Mischkultur beachten. In rauen Lagen ist ein Vlies oder Kulturschutznetz zu empfehlen. Es schützt vor Witterung und schädlichen Insekten. ● Kartoffeln bis Mitte Monat auslegen. ● Im Zimmer-Gewächshaus oder auf dem Fenstersims Gurken, Melonen, Tomaten, Zucchetti und Kürbisse vorziehen. Auch für die Anzucht der Setzlinge von Gewürzen, Fenchel, Lauch, Krautstiel und Kohlarten ist die Zeit günstig. ● Obst- und Beerengarten pflegen.

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Ziergarten ● Die meist günstigen Wetterbedingungen – keine extreme Kälte oder Hitze und ausreichende Feuchtigkeit – begünstigen das gute Anwachsen der Pflanzen. Knollen- und Zwiebelblumen wie Dahlien und Gladiolen in Garten und Balkongefässe setzen. ● Frostempfindliche Blumen- und Gemüsesetzlinge in milden Lagen ab Monatsbeginn, in rauen ab Monatsmitte (nach den Eisheiligen) ins Freie pflanzen. Setzlinge aus dem Gewächshaus vor dem Auspflanzen abhärten, damit sie Sonne und Wind ertragen. ● Einjährige Blumen und Gräser, Stauden, Sträucher und Gehölze in den Garten und in Gefässe pflanzen. ● Wärmeliebende Sommerblumen direkt in frisch gelockerte und gejätete Erde säen. Geeignet sind z.B. Löwenmäulchen, Mohn, Jungfer im Grünen, Hain-, Korn- und Ringelblumen, Duft-Wicken, Rittersporn, Kapuziner, Studenten- und Sonnenblumen, Zinnien. ● Der Gartenboden soll nie kahl sein, darum Berikräuter jäten und Gründüngung, z.B. Phacelia, Gelbsenf oder Buchweizen säen. Gründüngung fördert die Bodenfauna, schützt vor Erosion und Nährstoffverlust. ● Sämlinge und Setzlinge vor Schneckenfrass schützen. ● Mit steigenden Temperaturen werden Larven des Buchsbaumzünslers aktiv. Buchs regelmässig auf Befall kontrollieren. Beim ersten Beobachten von Raupen beginnt die Bekämpfung, z.B. mit «Delfin» (biologisches Frassgift, unbedenklich für Nützlinge), oder natürlichem Pyrethrum. ● Abgehärtete Kübelpflanzen ins Freie stellen.

In die Höhe gärtnern Rankende Pflanzen wie Gurken, Tomaten oder Bohnen müssen laufend hochgebunden werden. Dazu verwende ich entweder Bambusstangen oder Rankgitter. Auf unserem Freisitzplatz und dem Balkon machen sich Rankgitter gut, die bereits in Pflanzkübel integriert sind und eine dem Gefäss angepasste Grösse haben. Nebst den oben erwähnten Nutzpflanzen ziehe ich auch schnell wachsende Sommerblüher wie Glockenrebe, Prunkwinde, Duftwicke oder Passionsblume an den Kletterhilfen hoch. Unsere Hausfassade haben wir begrünt mit winterharten Pflanzen wie Clematis, Wildem Wein und alten englischen Ramblerrosen. Tipp: Rankende Gemüsepflanzen können auf Balkon und Terrasse auch als Sichtschutz eingesetzt werden. Ich verwende übrigens das System des Aufbindens auch bei Pflanzen wie Kürbissen, Melonen, Rondini und Gurken, die normalerweise im Garten meterweit kriechen. Bei der vertikalen Anbaumethode brauchen sie viel weniger Platz; darüber hinaus sind sie so leichter zu ernten, da man sich nicht bücken muss. Zu einer der wichtigsten Aufgabe an warmen Tagen gehört das Wässern der Pflanzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man frühmorgens giessen sollte, denn am Mittag verdunstet das Wasser sehr schnell. Zudem können Wassertropfen auf den Blättern zu Verbrennungen führen, da sie wie ein Brennglas wirken. Auch habe ich festgestellt, dass wir weniger Schneckenbefall haben, wenn wir am Morgen wässern. Die Pflanzen haben so den Tag über Gelegenheit abzutrocknen, bevor die gefrässigen Plagegeister nach Sonnenaufgang auftauchen. Wer am Abend wässert, läuft Gefahr, dass sich die Schnecken nachts hemmungslos über die nassen Pflanzen hermachen. Auf einem Balkon im zweiten Stock dürfte man mit Schnecken eh keine Probleme haben. Jungpflanzen müssen häufiger gegossen werden, da sie noch nicht so starke Wurzeln ausgebildet haben. Prinzipiell sollte man nur die Erde um die Pflanzen herum giessen und nicht die ganze Pflanze benetzen – denn dann würden sich auf den Blättern schnell Pilzerkrankungen ausbreiten. Bei Wochenend-Absenzen pflege ich umgestülpte, mit Wasser gefüllte Flaschen in die mit Kräuter, Minigemüse und Geranien bepflanzten Balkonkästen und Kübel zu stecken, um zu garantieren, dass die Pflanzen während meiner Abwesenheit nicht austrocknen. Mit diesem Trick kann man die geliebten Pflanzen auf dem Balkon oder im Garten gerne einmal auch bei grosser Hitze für ein paar Tage sich selbst überlassen.

Erlebniskurs

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Kräutergarten-Erlebniskurs Tageskurs für alle Hobbygärtner und Geniesser – von und mit Frances und Remo Vetter im Kräutergarten des Wellnesshotels Hof Weissbad, Weissbad (AI). Ein Kräutergarten benötigt nicht viel Platz. Aber wie gestaltet man ihn am schönsten? Wie pflegt man ihn? Welche Kräuter sind die Richtigen? Wann wird gesät und gepflanzt? Getreu dem Motto «learning by doing, learning by gardening» nehmen wir Sie mit auf eine Entdeckungsreise in die Welt des Gärtnerns. Freuen Sie sich auf kreative Gartenideen, die faszinierende Philosophie des «Lazy Gardeners» und viel praxisorientiertes Wissen. Das erwartet die Teilnehmer ● Vortrag: Die Gartenphilosophie des «Lazy Gardeners». ● Aktive Mitarbeit im Kräutergarten. ● Tipps zum Anlegen eines Kräuterbeetes für die Küche. ● So halte ich meinen Garten in Schuss: «Bodenpflege und Bodenkosmetik». ● Ansiedeln von Nützlingen. ● Gemeinsames gesundes Mittagessen. Kursleitung Remo Vetter «The Lazy Gardener». Referent und Buchautor. www.thelazygardener.ch Frances Vetter Erwachsenenbildnerin und Künstlerin. www.thewater.ch Ort Wellnesshotel Hof Weissbad, Im Park 1, 9057 Weissbad (AI) Termine Kurs 1 Samstag, 12. Juni 2021, 10 –16 Uhr. Kurs 2 Samstag, 19. Juni 2021, 10 – 16 Uhr. Weitere Kursdaten auf Anfrage. Kurskosten Für «natürlich»-Leser CHF 160.- statt 180.–, inkl. Mittagessen (Salatteller), ohne Getränke. Die Teilnehmerzahl ist auf 15 Personen begrenzt Anmeldung Melden Sie sich an bei Remo Vetter mit dem Vermerk «natürlich»: E-Mail an remo@thelazygardener.ch oder SMS an 079 326 05 84

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Frances und Remo Vetter sind als freischaffende Gartengestalter, Referenten und Buchautoren unterwegs.


Fotos: getty-images.com | dave brüllmann, at verlag| www.at-verlag.ch

 
 

Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Natur


Wieso eigentlich haben die Inuit nie die Weltherrschaft übernommen? Was unterscheidet Babylonier, Sumerer und Römer von Inkas, Mayas und Azteken? Und was haben Bodenschätze mit der Europäischen Union zu tun? Historiker Benedikt Meyer beschreibt, wie die Natur Geschichte schreibt.


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«Wieso eigentlich habt ihr uns entdeckt und nicht wir euch?»

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Sag mir» fragte ein Einheimischer den Biologen Jared Diamond am Strand von Neu Guinea: «Warum haben wir so wenig und ihr so viel? Und wieso habt eigentlich ihr uns entdeckt und nicht wir euch?» Der Biologe kam ins Grübeln. Er grübelte so sehr, dass er ein Buch schrieb. Über 500 Seiten zählt sein Werk «Arm und Reich». Als Biologe betrachtete Diamond die Weltgeschichte, wie einen Ameisenhaufen: neugierig, aber mit einer gesunden Distanz. Auch Ameisen sind nicht alle gleich erfolgreich. Den einen legt das Schicksal eine tote Maus vor die Tür, die anderen werden von Ameisenbären gefressen. Der Unterschied liegt nicht bei den Ameisen – sondern in der Natur. Die Inuit und die verpasste Weltherrschaft Bei uns Menschen ist es dasselbe. Dass die Inuit nie die Weltherrschaft an sich gerissen haben, überrascht niemanden. Auch die Aborigines hatten nicht den einfachsten Start. In Australien gibt es beispielsweise keine Kühe, keine Pferde und keine Gräser, die sich für den Ackerbau eignen. Im «fruchtbaren Halbmond» (Nildelta, Israel, Libanon, Syrien, Irak) hingegen gab es wilde Getreidesorten, Hülsenfrüchte, und leicht zu domestizierende Tiere. So verwundert es nicht, dass die Menschen ausgerechnet dort zuerst sesshaft geworden sind. Die Landwirtschaft führte mit der Zeit zu Nahrungsmittelüberschüssen, zu Bevölkerungswachstum und zu Hochkulturen. Und diese standen seit Jahrtausenden miteinander in Kontakt – allerdings nicht überall gleich. So hat Eurasien eine Ost-West-Ausrichtung. Eine neue Ackerbautechnik oder eine verbesserte Züchtung verbreitete sich folglich schnell über die Seidenstrasse oder entlang der Küsten des Mittelmeers. Babylonier, Sumerer, Perser, Griechen und Römer konnten also leicht voneinander abkupfern. Für Inkas, Mayas und Azteken war das sehr viel schwieriger, weil sie in komplett unterschiedlichen Klimazonen lebten. Der fiese Nutzen von Krankheiten Die Landwirtschaft führte zu Bevölkerungswachstum und dieses führte zu Krankheiten. Die verbreiten sich dort am besten, wo es viele Menschen hat. Krankheiten erwiesen sich mitunter als ein entscheidender Vorteil: Als die Europäer Amerika entdeckten, lebten sie schon seit Jahrhunderten mit Masern und Pocken. Die Indigenen hingegen starben in Scharen an den für sie neuen Erregern: In manchen Regionen starben über 90 Prozent der Einheimischen an den für sie neuen Krankheiten. Mit den übrig gebliebenen hatten die Konquistadoren leichtes Spiel. «Arm und Reich» von Jared Diamond ist ein Standardwerk. Nun hat sich der Schweizer Biologe Sebastian Jutzi ähnliche Gedanken gemacht. Nicht in einem grossen, welthistorischen Überblick, aber in vielen spannenden, unterhaltsamen und oft amüsanten Details. Denn auch in Europa hat die Natur oft in die Geschichte eingegriffen. Beispielsweise bei der Belagerung Wiens. Das Wetter macht Helden 1529 belagerten die Osmanen unter Sultan Suleiman Wien; sie wurden bei ihrem Feldzug aber von chronisch schlechtem Wetter geplagt. Dieses hatte bereits ihren Treck über den Balkan verlangsamt und führte sogar dazu, dass ihr schweres Geschütz im Schlamm stecken blieb. Mit den leichteren Kanonen aber war die Wiener Verteidigung nicht zu knacken. Schlimmer noch für die Türken: Auch ihre Versorgung blieb in den schlammigen Strassen stecken, und als es dann auch schon Anfang Oktober anfing zu schneien, zog sich der Sultan zermürbt zurück und ging nach Hause. Vergleichbares erlitten die Spanier knapp 60 Jahre später. Denn eigentlich hätte es ihre Armada durchaus mit der britischen Flotte aufnehmen können. Der Wind aber blies so konstant zum Vorteil der Engländer, dass es für die Iberer nicht nur 1588 eine Niederlage absetzte, sondern 1596 und 1597 gleich nochmals. Auch in jüngerer Zeit haben Naturereignisse den Lauf der Geschichte mitbestimmt. Hätte nicht 1937 ein Blitz in Lakehurst in einen Zeppelin eingeschlagen, man sähe die «fliegenden Zigarren» vielleicht noch heute am Himmel. Und hätte nicht am 11. März 2011 im Meer vor Fukushima die Erde gebebt, dann wäre das AKW Mühleberg ziemlich sicher noch am Netz. Aber die Natur greift nicht nur mit, Bazillen, Blitz und Donner in die Geschichte ein; sie inspiriert uns auch immer wieder und bringt uns als Menschheit so weiter. 1660 zum Beispiel soll ein vom Baum fallender Apfel Isaac Newton zu seiner Gravitationstheorie inspiriert haben. 123 Jahre später beobachteten die Papierfabrikanten Jacques und Joseph de Montgolfier, wie heisse Luft eine Papiertüte hochwirbelte – wenig später bauten sie den ersten Heissluftballon. Und ein Hund, der sich beim Spielen in einer Schnur verhedderte, brachte 1857 John Appleby auf die Idee für eine Maschine, die Garben zusammenschnürte.


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«Wenn es in Paris regnet, tropft es auf Kelmis»


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Wie Exkremente Rätsel lösen Die Natur hilft uns aber auch, die Geschichte überhaupt zu verstehen. Etwa so: Im arktischen und antarktischen Eis sind jahrtausendealte Luftbläschen eingeschlossen, weshalb Forscher tief in die Gletscher bohren, um Eisproben zu entnehmen. Schmilzt das Eis, entweicht die Luft und gibt Hinweise auf das Klima früherer Jahrtausende. Manchmal helfen aber auch ganz andere Überreste, ungeklärte Fragen zu lösen. Im Jahr 218 v.Chr. zog der karthagische Feldherr Hannibal mit (vermutlich) über 50000 Soldaten, 9000 Reitern und 37 Elefanten von Tunesien über Spanien nach Frankreich und von dort über die Alpen, um die Römer von Norden her zu attackieren. Diese Alpenüberquerung gilt als eines der kühnsten Manöver der Geschichte. Gerade deshalb beschäftigte die Frage, wo Hannibal die Alpen überquert hat, die Experten seit Jahrhunderten – bis sie mithilfe der Natur beantwortet wurde. Genauer: Dank der Natur der Pferde. Die 9000 Pferde produzierten nämlich pro Tag und Tier zwischen zirka 10 und 30 Kilogramm Kot. Das ergibt mindestens hundert Tonnen am Tag. Dagegen waren die fünf Tonnen Kot der 37 Elefanten ein bescheidenes Häufchen! Sicher ist: Hannibals Heer produzierte ziemlich viel organisches Material. Hinweise auf solche Kotresten wurden vor fünf Jahren in grosser Zahl am 2947 Meter hohen Col de la Traversette gefunden, einem 2947 Meter hohen Pass in den Cottischen Alpen, an der Grenze zwischen Frankreich und Italien. Das Rätsel scheint mithilfe dieser versteinerten «Bodenschätze» gelöst. Neutral-Moresnet und die EU Ein ganz anderer Bodenschatz, nämlich Zink, prägte die Geschichte von Neutral-Moresnet. Dieses war mit 3,4 km2 Fläche vielleicht nicht das grösste Land Europas und mit 103 Jahren Lebensdauer auch nicht das beständigste. Dafür aber ein Ziel für Ganoven, Träumer und Fantasten. Es begann 1815 mit einem Streit am Wiener Kongress, wo sich Preussen und Niederländer nicht auf die Grenze in den Zink-Abbaugebieten westlich von Aachen einigen konnten. Schliesslich wurde ein Streifen auf dem Gebiet der Gemeinde Kelmis unter gemeinsame Verwaltung gestellt: Neutral-Moresnet. Zink ist von Natur aus rostfrei und darum wurden im 19. Jahrhundert damit Giesskannen, Badewannen, Schiffsrümpfe und Dachrinnen gemacht. Insbesondere für die Dächer von Paris. «Wenn es in Paris regnet, tropft es auf Kelmis», lautete ein Sprichwort. Die Bevölkerung in Neutral-Moresnet wuchs rasant, auch weil die Einwohner bis 1847 keinen Wehrdienst leisten mussten. Aber auch für Schmuggler und Glücksspieler war das Ländchen ein Paradies. 1907 gab es sogar Bemühungen, die Kunstsprache «Esperanto» zur Amtssprache und aus dem Kuriosum einen richtigen Staat zu machen. Dann kam der Erste Weltkrieg und Neutral-Moresnet verschwand von der Landkarte. Auch Zink wird dort heute nicht mehr abgebaut. Nur die auf zinkhaltigen Böden spriessenden Galmeiveilchen erinnern heute noch an den Zwergstaat. Einen ganz anderen Weg wählte man nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch damals ging es wieder um Bodenschätze, doch statt sich darum zu streiten, gründeten Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Länder 1951 die Montan-Union. Diese regelte die Nutzung der Kohle- und Stahlvorkommen und schuf für diese einen gemeinsamen Markt. Die Bergleute sollten zudem frei zirkulieren können. Die Montan-Union war das erste Überstaatliche Gebilde in Europa – und der Grundstein auf dem später die Europäische Union aufgebaut wurde. Die Natur hat auf uns und unsere Geschichte also einen sehr erheblichen Einfluss. Aber wem muss man das in Zeiten von Corona-Virus und Klimaveränderung überhaupt noch sagen?

Buchtipps Jared Diamond: «Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften», Fischer 2006, ca. Fr. 16.– Sebastian Jutzi: «Als ein Virus Napoleon besiegte. Wie die Natur Geschichte macht», Hirzel 2019, ca. Fr. 30.–

Fotos: iStock.com

 
 

Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Natur


Graue Tage haben sich im vergangenen Winter endlos aneinandergereiht. Unser Auge sehnt sich jetzt im März nach Licht und Farbe.


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Instinktiv wissen wir, dass Alltagsstress verfliegt, wenn wir nach draußen ins Grüne gehen. Um diese Jahreszeit blühen Krokusse, Narzissen und Stiefmütterchen in den Beeten – blau, gelb, bunt, umschwirrt von Bienen und Hummeln. Es tut einfach gut, die vielen Farben zu sehen und die Blumen zu schnuppern. Die Natur genießen, wärmende Sonnenstrahlen auf der Haut spüren, mit den Händen in der frischen Erde graben, die Pflanzen um einen herum bestaunen – Gärtnern spricht alle Sinne an und ist definitiv unsere Lieblingsbeschäftigung. Ich wage die Behauptung, dass Gärtner mit die glücklichsten Menschen sind. Das Wühlen in der frischen Erde, das Säen und Hegen von Pflanzen hat etwas so Meditatives, dass wir uns nach dem Gärtnern manchmal fühlen wie nach ein paar Tagen Ferien. Und in dieser Corona verrückten Zeit ist anstelle von den Malediven als Feriendestination dieses Jahr wohl auch eher Gardinien und Balkonien angesagt. Jedenfalls finden wir das viel stressfreier und genüsslicher, vorausgesetzt mein lieber Remo wühlt nicht den ganzen Tag in der Erde, sondern geniesst auch einmal gemeinsame Stunden beim Nichtstun, sprich sich um mich kümmern an einem lauschigen Plätzchen im Garten. Meine Behauptung, dass Gärtnern glücklich macht bestätigt die wunderbare Philosophie «Ikigai». Der Begriff „Ikigai“ stammt aus dem Japanischen und kennzeichnet eine Lebenseinstellung. Es bedeutet übersetzt in etwa „das, wofür es sich zu leben lohnt“, „Freude und Lebensziel“ oder „etwas, wofür es sich lohnt, am Morgen aufzustehen“. Auf der japanischen Insel Okinawa leben die ältesten Menschen der Welt, die meisten über einhundertjährig. Außer täglicher moderater Bewegung, gesunder Ernährung und einem Leben in Gemeinschaft mit anderen ist das „Ikigai“ eines der zentralen Gründe für ihr hohes Alter. Sie kennen den Begriff „Ruhestand“ nicht und bleiben zeitlebens aktiv. Praktisch alle gärtnern und teilen ihre Erzeugnisse mit den Anderen Inselbewohnern. In Zeiten, die immer schneller und stressiger werden und viele Leute ihre Freizeit alleine mit dem Handy oder vor dem Computer verbringen, ist Gärtnern eine der schönsten Möglichkeiten, das Leben zu genießen. Ob im eigenen Garten, im Schrebergarten oder auf dem Balkon spielt keine Rolle. Die Seele baumeln lassen, in der Natur einen Ausgleich zur Arbeit zu finden, das ist das Entscheidende. Gärtnern bedeutet für uns Auftanken und uns lebendig zu fühlen. Die Vorfreude auf gemeinsame Stunden mit Freunden im Garten ist so schön; man grillt und zeigt, was man gepflanzt und angelegt hat. Sich im Garten auszutauschen, sich inspirieren zu lassen und ein gemeinsames Interesse zu teilen, macht Freude. Jede Jahreszeit hat ihren Reiz. Der nahende Frühling mit seiner überbordenden Zuversicht, die mediterranen Leichtigkeit des Sommers, der Herbst mit seiner wehmütigen Vorahnung und schliesslich der oft karge und melancholische Winter. Die Mischung aus wohltuendem Wechsel und Vertrautheit tut unserer Seele gut. Gärtnern ist definitiv in, und es passt in die «Do-it-yourself-Euphorie» die seit Beginn dieser verflixten Pandemie ausgebrochen ist. Auch wer die drei Buchstaben «DIY» bislang nicht enträtselt hat, weiß, was gemeint ist: Mach es selbst! Im Garten ist das eine der leichtesten Übungen. Nie, wirklich nie, schmeckt Konfitüre besser, als wenn die Früchte selbst gepflanzt, gepflegt und geerntet werden. Und, dass es glücklich macht, Beeren direkt vom Strauch zu geniessen, versteht wohl jeder. Gärtnern macht fit und wird sogar von bequemen Menschen gemocht. Sich recken, um Bäume zu beschneiden, sich bücken, um Löcher zu graben, auf Leitern zu klettern– ich finde, das ist nicht so eintönig wie 1’000 Schritte auf dem Laufband im Fitnessstudio zu gehen, womöglich unter den kritischen Augen der Top-Fit-Fraktion. Unsere Erfolgserlebnisse beim draussen werken: Ein wunderbarer Naturgarten und ein gestärkter Körper. Das lässt sich doch sehen. Ich weiss, manche Arbeiten gehen in die Knochen, aber diese Erschöpfung stimmt am Abend doch einfach zufrieden. Und günstiger als jedes kaum genutzte Fitnessstudio-Abonnement ist es auch. Jeder Fünfsternekoch weiß es: Nichts fördert den Geschmack so sehr, wie Frisches direkt aus dem Boden. Frisches Gemüse, biologisch und giftfrei angebaut, nie in Kontakt mit Verpackungsfolien schmeckt unvergleichlich gut. Unsere Devise, die wir immer wieder kundtun: Vom Boden auf den Teller in einer Stunde. Ich weiss, das ist purer Luxus und nicht für Alle möglich, aber für Gärtner ein anstrebenswertes Ziel, finde ich. Und ein guter Arzt empfiehlt seinen Patienten: „Essen Sie mehr frisches Obst und Gemüse“, vor allem viel Grünes, denn frisches Gemüse und Obst aus dem Garten ist die gesündeste Ernährung und schützt vor Mangelerscheinungen und Krankheit. Früher gab es auch nur maximal einmal Fleisch oder Fisch pro Woche und die Leute waren körperlich gesünder. Naturvölker jedenfalls kannten Krankheiten wie Diabetes oder Gicht nicht, bevor denaturierte Nahrungsmittel Einzug gehalten hatten. Remos Grossvater zum Beispiel war sein Leben lang nie beim Arzt und mein Grossvater lebte auf einem Bauernhof in den irischen Bergen, wurde einhundert Jahre alt und hat bis zum letzten Tag gearbeitet. Unser Körper weiß, wann es uns gut geht, er schüttet Glückshormone aus und die sind letztlich der Grund, warum Gärtnern glücklich macht. Gartenarbeit ist ein sinnliches Vergnügen. Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: „Willst Du einen Tag lang glücklich sein, betrinke dich. Willst Du eine Woche lang glücklich sein, schlachte ein Schwein. Willst Du ein Jahr lang glücklich sein, heirate. Willst Du aber ein Leben lang glücklich sein, werde Gärtner.“ In dieser Aussage steckt eine gehörige Portion Wahrheit. Denn tatsächlich macht Gärtnern gesund – und zufrieden. Glücksforscher nennen es „Flow“: Ein Gefühl der völligen Konzentration, das alles andere um einen herum in den Hintergrund treten lässt. Kinder erleben dieses Gefühl regelmäßig beim Spielen. Warum das Hantieren in der Natur „Flow“ fördert? Experten wissen: Wer regelmäßig gärtnert, trainiert die Fähigkeit, in einem Tätigkeitsrausch zu versinken; er tut etwas Nützliches, lebt im Einklang mit der Umwelt, bewegt sich und kann sich auch über die kleinen Dinge des Lebens, wie eine aufblühende Pflanze, freuen. Folglich suchen immer mehr Menschen ihr kleines grünes Glück im Garten. Der Frühling ist da und die Gartensaison kann beginnen! Umgraben, Rasen mähen, barfuß über die Wiese laufen – dass Bewegung an der frischen Luft gesund ist, ist nichts Neues. Doch Gartenarbeit kann viel mehr. Auf geht’s. Gartenarbeit im März Ziergarten: Winterschutz entfernen und dürre Staudengräser bis zum Boden zurückschneiden. Der Winterschnitt ist jetzt, vor dem grossen Austreiben, abzuschliessen. Frostverträgliche Sommerblumen direkt in frisch gelockerte und gejätete Erde säen, z. B. Mohn, Phacelia, Liebeshain-, Korn-, Spiegelei- und Ringelblumen. Im Zimmer-Treibhaus aussäen: Z. B. Duft-Wicken, Impatiens, Leberbalsam, Nelken, Petunien, Salbei, Sonnenhut und Verbenen. Manche mehrjährigen Stauden wie Kokardenblume, Mädchenauge oder Stockrosen und Bartnelken blühen bereits im ersten Sommer, wenn sie jetzt gesät werden. Kaltkeimer, z. B. Edelweiss, Eisenhut, Enzian, Küchenschelle, Trollblumen, säen. Lücken im Garten und Schalen auf dem Balkon mit Frühlingsblühern, Gehölzen und Stauden bepflanzen. Balkon- und Kübelpflanzen aus dem Winterquartier holen, zurückschneiden, umtopfen und kühl-hell aufstellen. Nutzgarten: Bei günstiger Witterung den Gartenboden für die Kulturen vorbereiten: Kompost und Mist einarbeiten, Unkraut jäten, Gründüngung säen. Auf vorbereitete, abgetrocknete Beete Spinat, Puffbohnen, Kefen, Mark- und Auskernerbsen säen sowie Steckzwiebeln und Knoblauch stecken. In milden Lagen Karotten, Radieschen, Rettiche und Kohlrabi säen. Im Zimmer-Treibhaus Auberginen, Kohlarten, Paprika, Tomaten sowie Salate, Lauch und Zwiebeln säen. Der Anbauplan ist zu erstellen. Er berücksichtigt Fruchtfolgen und resistente Sorten. Richtige Sorten und Anbauzeiten, und die Förderung der Nützlinge ist vorbeugender Pflanzenschutz. Kräuter umpflanzen, teilen und säen. Auf der Fensterbank Kresse und Sprossen anziehen. An frostfreien Tagen Beerensträucher auslichten.



 
 
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