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Kategorie: Natur


Tierhäute sind so vielfältig wie die Welt der Tiere an sich. Sie passen sich optimal dem Lebensraum und der Lebensweise eines Tieres an. Und manchmal gibt die Haut auch einen spannenden Einblick in das Leben eines Tieres.




Der australische Nackthund entpuppte sich im Nachhinein als grosse Herausforderung. Bei der Präparation im Naturhistorischen Museum Bern galt es, die Haut mit Farbe zu behandeln, weil sie nicht behaart war. Doch mit der gewohnten Methode fehlte die nötige Tiefenwirkung, also wich die Präparatorin auf ein Gemisch aus Wachs und Farbe aus. Jetzt wirkt der Hund mit seiner dunkelrötlichen Haut wie echt. Er wartet im Archiv des Museums – neben hunderten anderen präparierten Tieren vom Wiesel bis zum Wasserbüffel – darauf, entdeckt und bewundert zu werden. Auch die Haut einer Elefantendame namens Ota, die einst im Zoo Basel lebte, lagert hier unten. Einer, der sich täglich mit der Haut und den Haaren von Tieren beschäftigt, ist Martin Troxler, naturwissenschaftlicher Präparator im Naturhistorischen Museum Bern. «Unter dem Mikroskop betrachtet, präsentiert sich die Haut eines Tieres wie ein grosses Gebilde aus nebeneinander liegenden und verschlungenen Fasern – ohne Anfang und Ende.»


Was die Haut verrät

Martin Troxler arbeitet mit Tierhäuten, -fellen und -knochen von Säugetieren über Vögel und Fische bis zu Reptilien und Amphibien. Dabei fasziniere ihn zum einen die Konservierung und der Erhalt von Tierhäuten verschiedenster Art, zum anderen aber auch die Auseinandersetzung mit dem Tier und seiner Lebensgeschichte. «Die Haut und das Fell eines Tieres sind geprägt von seinem Lebenszyklus, von den Jahreszeiten und dem Lebenswandel.» So sei zum Beispiel bei Tieren, die im Sommer in den Bergen unterwegs sind, die Haut ausgebleicht und deutlich heller. Oder es gebe Spuren von Verletzungen oder Schürfungen. Zudem verrate das Fell wie auch die Haut, ob das Tier gesund war oder nicht. «Die Haare sind das Produkt der Haut. Beide reagieren empfindlich auf äussere Einflüsse wie auch auf Krankheiten», erklärt Martin Troxler. Leidet das Tier unter einer Krankheit, ziehe sein Körper Energie von der betroffenen Körperstelle ab. Als Folge davon werden die Haare an dieser Stelle stumpf, verlieren ihren Glanz und fallen zum Teil aus; die Haut selbst verliert an Spannung und Kraft. Beide Faktoren seien jedoch bei seiner Arbeit als Präparator wichtig. «Die Tierhaut muss dehnbar und weich sein, damit ich sie auf dem präparierten Gesicht und Körper verteilen kann», sagt Martin Troxler.



Unterschiedliche Aufgaben

Grundsätzlich gilt die Haut als die äussere Hülle und Schutzschicht von Menschen und Tieren. Die Haut eines Tieres erfüllt unterschiedliche Aufgaben – abhängig vom Tier und seiner Umgebung. Sie beeinflusst die Körpertemperatur, ist ein Sinnesorgan für Hitze, Kälte, Berührung und Schmerz, sie schützt zudem vor Verletzungen, Bakterien und der Sonne. Säugetiere verfügen über eine besonders trockene Haut mit Haaren. Sie können dank ihrem Fell fast überall leben. Keine Haut gleicht der anderen. Die Haut ist je nach Säugetier und Rasse unterschiedlich. Bei Rindern beispielsweise besteht die Haut zu 33 Prozent aus Eiweissstoffen (Proteine), zu zwei bis sechs Prozent aus Fetten, zu 65 Prozent aus Wasser und zu 0,5 Prozent aus Mineralstoffen. Sie gliedert sich in drei Schichten: Oberhaut (ca. ein Prozent der Dicke), Lederhaut (ca. 85 Prozent) und Unterhaut (ca. 15 Prozent). In der Lederherstellung wird ausschliesslich die Lederhaut verwendet. Auf einem Hautstückchen vom Wildschwein wachsen sogenannte Grannenhaare, die als Nässe- und mechanischer Schutz dienen, sowie die gekräuselten Wollhaare, die im Winter für die nötige Wärme sorgen. Beim Seehund indes, der über eine kurze, anliegende Behaarung verfügt, schützt eine dicke Speckschicht unter der Haut den Körper vor Wärmeverlust.



Haut | Im Archiv des Naturhistorischen Museum Bern lagert auch die Haut eines Elefanten.

 

Tierhäute für den Menschen

Leder gehört zu den ältesten natürlichen Materialien. Es wird schon seit Jahrhunderten als Rohstoff für unterschiedlichste Produkte verwendet. Aufgrund der schnellen Verderblichkeit roher Tierhäute begannen Menschen bereits früh, damit eine geeignete Methode zur Stabilisierung und Haltbarkeit der Tierhäute zu entwickeln. Dieser Prozess wird als Gerbung bezeichnet. Die Kleidung der Steinzeit bestand in den ersten Epochen grösstenteils aus Fellen oder Tierhäuten. Leder wurde im altorientalischen Kulturraum zur Aufbewahrung und zum Transport von Lebensmitteln genutzt. Trommeln, die mit Tierhaut überzogen sind, gehören zu den ältesten Trommeln überhaupt. Viele der heute verwendeten Trommeln entspringen den traditionellen afrikanischen Trommeln, deren Membranen aus Tierhäuten gefertigt wurden. Auch Pergament wurde aus Tierhäuten hergestellt, vor allem aus Schafs- oder Ziegenhaut, aber auch aus Kalbs- und Rinderhaut. Im Gegensatz zum Leder wurden diese Häute nicht gegerbt.



 



Mindestens 0,5 Millimeter dick

Die Tierhaut und das Fell stehen immer wieder im Interesse der Forschung. Ein internationales Konsortium von Forschenden mit Beteiligung des Instituts für Genetik der Universität Bern etwa konnte zeigen, wie Fellfarben bei Hunden vererbt werden. Ausserdem wiesen die Forschenden nach, dass eine Genvariante für helles Fell bei Hunden und Wölfen von einem inzwischen ausgestorbenen Verwandten des Wolfs stammt und mehr als zwei Millionen Jahre alt ist. Die Haut ist das grösste Organ des Hundes und nimmt zwischen 12 bis 24 Prozent der gesamten Körpermasse ein. Mit einer mindestens 0,5 Millimeter dicken Schicht bedeckt sie die Muskeln, das Skelett und die Organe des Hundes. Bei Welpen und Kleinhunderassen wie Chihuahua und Zwergpinscher ist der Schutzmantel der Haut häufig durchlässiger als bei erwachsenen Tieren und Exemplaren grösserer Rassen. Insgesamt besteht die Hundehaut aus der Oberhaut mit pigmentbildenden Zellen, der Lederhaut mit vielen Blutgefässen und einem dichten, aber gleichzeitig sehr beweglichen Gewebe, und der Unterhaut, wo mehrere Drüsen verankert sind. Die sogenannten apokrinen Drüsen, die über den ganzen Hundekörper verteilt sind, haben unter anderem eine kommunikative Funktion. Das Absondern und Aufnehmen von Gerüchen über diese Drüsen informieren Artgenossen über das Geschlecht und den Fortpflanzungsstatus des anderen Hundes.



Martin Troxler | naturwissenschaftlicher Präparator im Naturhistorischen Museum Bern, neben einem australischen Nackthund, der aufwändig präpariert wurde. Bei der Präparation des Nackthundes galt es, die Haut mit Farbe zu behandeln, weil sie nicht behaart war. Für die Tiefenwirkung sorgte ein Gemisch aus Wachs und Farbe.

 

Besondere Hautphänomene aus dem Tierreich




Chamäleon: blaue Haut bei UV-Licht



Forschende der Zoologischen Staatssammlung München haben herausgefunden, dass die Haut des Chamäleons unter UV-Licht blau leuchtet. Die sonst unsichtbaren Muster der Haut überziehen bei UV-Bestrahlung den Kopf der Tiere und setzen sich bei einigen Tieren offenbar auch über den Körper fort. Eine dünne, durchlässige Haut spannt sich gemäss einem Bericht im Fachblatt «Scientific Reports» über die knöchernen Höcker des Kopfes, sodass das UV-Licht direkt auf den Knochen trifft und von dort in blaues Licht umgewandelt wird. Die Forschenden vermuten, dass dies dem Tier das Signal zur Erkennung von Artgenossen dient.


Wal: Farbkörper und Häutung

Kein Lebewesen hat eine dickere Haut als die Grosswale. Bei gewissen Exemplaren wie etwa beim Pottwal misst die äussere Hülle bis zu 35 Zentimeter. Der Walforscher Günther Behrmann aus Bremerhaven wies 22 unterschiedliche Farbkörperchen (Chromatozyten) in der Haut der Waltiere nach. Durch diese Farbkörper entsteht die dunkle Hautfarbe der Wale. Wenn die Tiere zu lange der Sonne ausgesetzt sind, werden Zellschäden in der Haut von Reparatur-Genen sofort behoben. Andere Wale wie etwa der Blauwal bilden auf ihrer Haut ein Melanin-Pigment, das einen Teil der Sonnenstrahlung abfängt. Wie Forschende um Robert Pitman vom National Marin Fisheries Services im kalifornischen La Jolla im Fachmagazin «Marine Mammal Science» berichten, schwimmen Wale gemäss neuesten Erkenntnissen wahrscheinlich zweimal im Jahr um die halbe Welt, um ihre Haut zu erneuern. In kalten Gewässern reduzieren die Wale ihre Durchblutung in den obersten Hautschichten, um Energie zu sparen. In warmen Gewässern wird die oberste Hautschicht genügend mit Blut versorgt. Auf diese Weise erneuert sich die Walhülle. Anschliessend können die Tiere ihre Reise in die Arktis oder in die Antarktis antreten. Aus Erzählungen der Inuits ist bekannt, dass sich die Belugas bzw. Weisswale im Sommer in wärmere Flussmündungen zurückziehen, um dort ihre Haut zu regenerieren.


Eisbären: schwarze Haut unter dem weissen Fell

Unter dem weissen Fell der Eisbären befindet sich eine pechschwarze Haut. Das Fell des Eisbären ist – obwohl es gelblich-weiss wirkt – transparent und innen sogar hohl. Das Sonnenlicht kann als Folge davon fast ungehindert die Haut des Bären erreichen. Durch die schwarze Hautfarbe sind die Bären jedoch in der Lage, alle Wellenlängen des Lichts zu absorbieren. So kann gleichzeitig mehr Wärme aufgenommen und gespeichert werden. Auch die fünf bis zehn Zentimeter dicke Fettschicht speichert Wärme. Die Haut der Eisbären ist allerdings nicht von Geburt an schwarz. Die Tiere werden mit einer rosafarbenen Haut geboren; diese färbt sich nach und nach schwarz.


Zebra: Streifenlook gegen Insekten

Warum sind Zebras gestreift? Studien haben offenbar ergeben, dass die schwarzen und weissen Streifen helfen, Fliegen auf dem Körper des Zebras zu verscheuchen. Die weissen Streifen geben ein polarisiertes, die schwarzen ein unpolarisiertes Licht ab. Das scheint die Insekten zu verwirren. Ob das auch für jenes «goldene» Zebra gilt, dass vor wenigen Jahren im Serengeti-Nationalpark in Tansania gesichtet wurde? Greg Barsh, Genetiker des HudsonAlpha Institute for Biotechnology in Huntsville, Alabama (USA), erklärte gegenüber dem Magazin National Geographic, dass es sich bei diesem Phänomen um eine Art Albinismus handle. Dabei produziere das Tier deutlich weniger Melantin als seine Artgenossen. Melantin ist ein natürliches Pigment, das in der Haut gebildet wird. Deshalb wirken die Streifen blasser.




Krokodil: steif und empfindlich zugleich

Auch wenn sie als wilde und blutrünstige Tiere gelten, die Haut der Krokodile ist ausserordentlich empfindlich. Zum einen ist die Krokodilhaut steif und stark, deshalb wird sie gerne von Menschen zur Herstellung von Kleidung und Accessoires verwendet. Zum andern jedoch verfügt die Haut über spezielle Sensoren, die empfindlicher auf Druck und Vibrationen reagieren als die Fingerspitzen eines Menschen. Somit verfügen die Krokodile über den stärksten Tastsinn unter anderen Tieren. Spezielle chemische Rezeptoren auf der Haut sollen den Räubern helfen, Beute aufzuspüren oder einen geeigneten Lebensraum zu finden.


Elefanten: sensible Dickhäuter

Elefanten gelten als Dickhäuter. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Verletzliche Stellen wie der Rüsselansatz, die Beine oder der Rücken sind tatsächlich bis zu drei Zentimeter dick. Doch hinter den Ohren, an den Augen, am Bauch, an der Brust und den Achseln hingegen ist die Haut dünn wie Papier. Ein Elefant braucht eine dicke Haut, um seine Masse bzw. den inneren Druck zusammenzuhalten. Trotz ihrer Dicke ist die Elefantenhaut ein sensibles Organsystem mit einer dichten Nervenversorgung. So bemerkt ein Elefant jede Fliege, die sich auf seiner Haut niederlässt. Übrigens: Elefanten sind auch kitzelig, wenn ein*e Elefantenpfleger*in ihnen in der Achselhöhle krault.


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Es gibt wohl kaum ein Kloster ohne Klostergarten. Er diente nicht nur der Selbstversorgung, sondern auch als Ort der Heilung, Mystik und Kontemplation, wie dieser Beitrag aufzeigt.


Schwestern | Drei Schwestern des Klosters in Jakobsbad kümmern sich um den grossen Garten.

Mit ruhiger Hand füllt Schwester Dorothea die kleinen weissen Döschen mit der minzgrünen Crème, die gegen allerlei Rheumaerkrankungen helfen soll. Verschiedene Kräuter wie zum Beispiel Thymian, Minze, Wacholder, Rosmarin und Lavendel werden für diese Crème nach einem alten, überarbeiteten Rezept des Kapuzinerinnenklosters «Leiden Christi» im appenzellischen Jakobsbad beigemischt. Die Crèmes seien bei der Kundschaft des Klosterladens sehr beliebt, erzählt Schwester Dorothea und zeigt mir in einem Nebenraum das Kräuterlager. Einige der Kräuter stammen aus dem eigenen Klostergarten, doch der Grossteil wird bei spezialisierten Herstellern eingekauft. Der Aufwand für den Anbau und die Ernte, um auf die benötigte Menge zu kommen, wäre zu gross. Zu den Produkten des Klosterladens, der auch einen Online-Shop betreibt, zählt beispielsweise auch das Jakobsbader Stärkungs- und Zellvitalisierungsmittel bei Müdigkeit und Leistungsabfall im Alltag. Das Kloster verfügt über einen weit herum bekannten Laden. Er befindet sich seit 2010 in grosszügigen Räumlichkeiten im Nebengebäude zum Kloster, dem ehemaligen Knechtenhaus. Die Kraft der Naturheilmittel sei – so Schwester Dorothea – die natürliche Ergänzung zur «geistigen» Apotheke der Schwestern mit den Kraftquellen Gottes und der Kirche.


Rosen | Eine Rose lenkt die Blicke auf sich. Als Symbol der Liebe blüht sie im Kloster Jakobsbad in mehreren Arten und Farbtönen.

Gartenteam mit drei Schwestern

Ein Ort zum Auftanken ist auch der Klostergarten, den man durch ein schmiedeeisernes Tor betritt. Doch nur ein Teil des grossen Klostergartens ist öffentlich zugänglich. Der Rest bleibt den Ordensfrauen vorbehalten. Der Garten wird mit viel Liebe von den Schwestern Chiara, die als Jugendliche eine Floristinnenlehre absolvierte und in einer Gärtnerei arbeitete, M. Veronika und M. Josefa gepflegt. Beim Spaziergang zwischen den geometrisch angeordneten Beeten hindurch begegnet man allerlei Gemüse und Salaten. Bereits anfangs Februar beginnt die Saat des Salates. Bis tief in den Winter können verschiedene Kohlsorten, Lauch, Randen und andere Wintergemüse geerntet werden. Jahrzehntelang nahm die Selbstversorgung mit Landwirtschaft und eigenem Gemüsegarten einen hohen Stellenwert im Kloster Jakobsbad ein. Heute ist die Landwirtschaft verpachtet, der Gemüsegarten wird weiterhin liebevoll gehegt und gepflegt und einige Rohstoffe für den Klosterladen und die Apotheke daraus gewonnen. Dazu gehören zum Beispiel die Pfefferminze und Zitronenmelisse, die für Tinkturen oder Getränke verwendet werden. Weiter geht es an Beeten voll Ageratum, Korn- und Ringelblumen vorbei, die von den Schwestern für Salben und Tees genutzt werden. Nur als Zierde für den Salat dienen die blauen Borretsch-Blüten. Wichtig für den Kirchenschmuck sind die goldenen Sonnenblumenblüten. «Durch die Sonnenblume reichen wir den Schein Gottes weiter», sagt Schwester Chiara und erklärt, dass die Mitte der Sonnenblume mit ihren nahrhaften Körnern ein Energiespeicher für verschiedenste Lebewesen sei. Zu den weiteren «Bewohnern» des Klostergartens zählen zum Beispiel auch Maiglöckchen, die in der christlichen Symbolik für Maria stehen. Eine knallrote Rose lenkt nun die Blicke auf sich. Als Symbol der Liebe blüht sie in mehreren Arten und Farbtönen, ebenso wie die Apfelbäume. Im Frühling werden sie ausgelichtet, damit das Licht in die Mitte kommen kann – auch in die Mitte der Menschen.


Gemüse | Im Klosgergarten wächst auch Gemüse. Federkohl, auch bekannt als Grünkohl oder Kale, ist ein sehr gesundes und vielseitiges Wintergemüse.

Werden und Wachsen

Der Heilige Benedikt legte in seinem Regelwerk vieles im Leben seiner Glaubensbrüder fest – auch was den Klostergarten betrifft. So schreibt er im Kapitel 65: «Das Kloster soll, wenn möglich, so angelegt werden, dass sich alles Notwendige, nämlich Wasser, Mühle und Garten, innerhalb des Klosters befindet und die verschiedenen Arten des Handwerks dort ausgeübt werden können. So brauchen die Mönche nicht draussen herumzulaufen, denn das ist für sie überhaupt nicht gut.» Die von Benedikt geforderte Beständigkeit des Mönchs ist die Grundbedingung für das Werden und Wachsen eines Gartens, seiner Pflanzenwelt im Speziellen und für die Entwicklung der Gartenkultur im Allgemeinen, schreibt Peter Paul Stöckli in seinem Kunstführer «Die Gärten des Klosters Muri». Der Landschaftsarchitekt beschäftigt sich beruflich seit über 50 Jahren mit historischen Gärten und Anlagen und dabei auch mit den Gärten mehrerer Klöster (siehe auch Interview).

Kloster Jakobsbad | Aussenansicht des Kapuzinerinnenklosters «Leiden Christi» im appenzellischen Jakobsbad.

Barockes Bauwerk mit nationaler Bedeutung

Nun blüht es wieder in den Gärten des Klosters Muri. Und das Wasser plätschert aus dem 2008 wiederhergestellten Martinsbrunnen mit der Figur von Martin von Tour, dem Klosterpatron von Muri. Insgesamt vier Gärten prägen diese Klosteranlage. Das im Jahre 1027 von den Habsburgern gestiftete und vom Mutterkloster Einsiedeln gegründete Kloster Muri gehört zu den wichtigsten barocken Klosteranlagen der Schweiz. Der Klosterhof ist die Eingangspforte für die Besuchenden. Von hier aus erreicht man den Konventgarten und den grossen Küchengarten. Früher befanden sich hier auch die zwei ehemaligen Apothekergärten, die jedoch im Zuge der politisch initiieren Klosteraufhebung 1841 verschwanden. «Der Konventgarten diente der stillen Erholung, der Kontemplation, dem Gebet, dem Gespräch, der Naturbetrachtung und der gärtnerischen Arbeit», erklärt Peter Paul Stöckli. Der neben dem Klosterhof liegende Konventgarten übernimmt in seiner heutigen Gestaltung die ursprüngliche Gliederung in drei etwa gleich grosse Gartenteile, ausgerichtet auf die Sichtachsen der Klostergebäude. Die Beete wurden im barocken Stil bepflanzt mit Gehölzen, Buchsstauden und Zwiebelpflanzen, die jedoch herrlich zu blühen beginnen. Mit Ausnahme des Fürstengartens – des heutigen Pflegiparkes – wurden alle Gärten zwischen 1996 und 2004 durch das Wettinger Büro SKK Landschaftsarchitekten AG neu, aber im Geiste und in den Grundzügen der nach 1841 zerstörten Vorgängergärten gestaltet.


Fürstengarten für den Abt

Aufgrund seiner herausgehobenen Stellung des Abtes im Benediktinerorden erhielt dieses demokratisch gewählte Klosteroberhaupt einen eigenen Garten – den Fürstengarten. «Hier empfing der Abt seine Gäste, führte mit ihnen Gespräche und speiste mit ihnen», berichtet Peter Paul Stöckli. Im Zusammenhang mit der Restaurierung des Ostflügels wurde 1987 mit einer freien Rekonstruktion eine Erinnerung an den durch die Klosterauflösung verlorenen Fürstengarten in Form einer barocken Gartenterrasse geschaffen. Im Zentrum befindet sich ein Wasserbecken – ein Attribut, das den Abtgarten über viele Jahrhunderte schmückte. Wie Peter Paul Stöckli informiert, gehörte einst auch eine Orangerie mit exotischen Pflanzen zum Abt- bzw. Fürstengarten. Die Orangerie fiel dem Neubau des Klosters von 1789 bis 1798 zum Opfer. Im Ostbereich des Klosters liegt der grosse Küchengarten. Er ist symmetrisch aufgebaut. Die Gartenbeete und Wege sind auf ein Zentrum hin ausgerichtet. Der klösterliche Küchengarten dient heute – wie alle anderen Gärten auch – den Bewohnerinnen und Bewohnern des im Klostergebäude integrierten Pflegeheims als Arbeits- und Erholungsort. Hier gedeihen Gemüse und Beeren. Als ein mystischer Ort präsentiert sich der Kreuzganggarten des Klosters: «Er ist kein Innen-, sondern ein Freiraum», sagt Peter Paul Stöckli. Um diesen nach oben, dem Himmel zugewandten Raum ist das ganze Kloster angeordnet. Im Vergleich zu anderen Klöstern ist der Kreuzganggarten von Muri klein. Heute nimmt die kreuzförmige Gliederung mit vier Rahmen aus niederen Buchshecken und einem kreisrunden Beet im Zentrum Bezug auf die Gartenausgänge des Kreuzganges.



«Der Klostergarten repräsentiert sozusagen das Paradies»

Paul Peter Stöckli setzt sich als Landschaftsarchitekt und Fachexperte für Gartendenkmalpflege seit einem halben Jahrhundert für den Schutz und die Pflege von historischen Gärten als wichtiges Kulturgut ein – so auch im Kloster Muri. Wir haben uns mit ihm über die Faszination von Klostergärten unterhalten.


Sie beschäftigen sich schon seit Längerem mit Klostergärten. Was fasziniert Sie daran?

Peter Paul Stöckli: Ich beschäftige mich praktisch und theoretisch mit dem Kulturgut der historischen Gärten und Anlagen. Dazu gehören sicher die Gärten der Klöster, denn sie sind es, die die Gartenkunst der Antike in die Neuzeit übertragen haben. Die Gärten sind immer Ausdruck der gesellschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Gartenbesitzer, aber auch des Kenntnisstandes und des Zeitgeschmacks. Gerade in einem Klostergarten wie Muri hat sich ein fast tausendjähriger Erfahrungsschatz angesammelt.


Wodurch zeichnen sich Klostergärten aus?

Es gibt nicht den klassischen Klostergarten. Zudem verfügen viele Klöster über mehrere Gärten innerhalb ihres Bezirks. Meist allen Klöstern gemein ist der Kreuzgarten. Er ist das Herz des Klosters und auf allen vier Seiten vom Gebäude umschlossen, aber nach oben offen. Der Kreuzgarten ist in der Regel der älteste Garten der Anlage und diente zur Kontemplation. In vielen Klöstern findet man zudem einen Konventgarten als Erholungsort, einen Apothekergarten mit Heilkräutern, einen Küchengarten sowie – wie in Muri – einen Abtgarten mit repräsentativen Aufgaben. Die meist orthogonale Struktur der Gartengestaltung sowie der Bezug zu den umliegenden Gebäuden darf man in den meisten Fällen als weitere Gemeinsamkeit von Klostergärten bezeichnen.

Der Klosterplan St. Gallen spielte bei der Planung von Klostergärten eine zentrale Rolle. Weshalb?

Dieser Plan gilt als Ursprung für die Planung solcher Gärten und ist mit über 800 Jahren einer der ältesten seiner Art. Er beinhaltet die Bereiche Essen, Heilen, Erholung und Kontemplation.


Dem Klostergarten kommt ja auch eine spirituelle bzw. religiöse Bedeutung zu?

Der Klostergarten repräsentiert sozusagen das Paradies, den Garten Eden auf Erden. Er fördert die geistige Versenkung und das Gebet. Die Hinwendung zur Natur und zu den Pflanzen ist in diesem Sinne ein geistliches Werk.


Wer war für den Unterhalt der Klostergärten verantwortlich – die Klosterbrüder und -frauen?

Am Anfang schon. Später dann wurden eigene Gärtner angestellt. Nach der Aufhebung der Klöster machten sich die Klostergärtner nicht selten selbständig, schliesslich waren sie die einzigen, die diesen anspruchsvollen Beruf wirklich beherrschten. So wurden durch die Gärten und Gärtner der Klöster die Hortikultur entwickelt, und manche Pflanze, die sich in den Bauerngärten der Umgebung fand, hatte ihren Ursprung in einem Klostergarten.


Interview: Fabrice Müller


St. Galler Klosterplan


Der St. Galler Klosterplan ist die früheste Darstellung eines Klosterbezirks aus dem Mittelalter und zeigt die ideale Gestaltung einer Klosteranlage zur Karolingerzeit. Er ist an den Abt Gozbert vom Kloster St. Gallen adressiert, entstand vermutlich zwischen 819 und 826 im Kloster Reichenau unter dem Abt Haito und ist im Besitz der Stiftsbibliothek St. Gallen. Er wird dort unter der Bezeichnung Codex 1092 aufbewahrt. Der Klosterplan mit seinen 52 Gebäuden besteht aus fünf zusammengenähten Pergamentblättern (112 cm mal 77,5 cm). Der St. Galler Klosterplan ist der einzige Bauplan, der aus dem frühen Mittelalter erhalten ist. Die Bedeutung des Planes erschliesst sich schnell bei genauerer Betrachtung des Plans. Dargestellt werden etwa 50 Gebäude in ihrer Lage, ihrer Grösse und ihrer Funktion. In nicht wenigen Gebäuden finden wir Darstellungen von der Inneneinrichtung, Betten, Tischen und vielem mehr. Damit liefert er eine Beschreibung eines Klosters mit den Bedürfnissen seiner Einwohner. Der Zeichner des Plans stellte die Anordnung der Gebäude dar, wie es ihm für ein grösseres Kloster nach der Regel des heiligen Benedikts ideal erschien. Und eben auch die verschiedenen Gärten. Das sind der Arzneimittelgarten, der mit dem Friedhof kombinierte Obstgarten und der Gemüsegarten. sam

1 Arzneikräutergarten

2 Obstgarten und Friedhof

3 Gemüsegarten


Buchtipp


Kunstführer «Die Gärten des Klosters Muri» Peter Paul Stöckli September 2013, ISBN 978-3-03797-112-3, CHF 16.90











Klostergärten – Paradiese der Stille Kriemhild und Aloys Finken August 2015, ISBN 978-3-7995-0680-9, CHF 36.90

Hildegard von Bingen


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