top of page

Kategorie: Gesundheit


Mit Drogen psychische Leiden behandeln? Klingt verrückt! Tatsache ist aber, dass Therapien mit LSD, Ecstasy oder «Zauberpilzen» eine Renaissance erleben und in der Schweiz legal sind. Eine der Methoden ist die Psycholytische Therapie. Was sie bewirken kann, berichten Spezialisten und der 64-jährige Xavier.




«Ich hatte nie etwas mit Drogen am Hut», stellt Xavier* gleich eingangs des Gesprächs klar. Dass er Vorurteilen entgegenwirken will, wundert nicht. Denn auch wenn psychotrope Substanzen (Wirkstoffe, die die menschliche Psyche beeinflussen) wie DMT (z. B. Ayahuasca), Psilocybin («Zauberpilze»), Mescalin (Kakteen), MDMA (Ecstasy) oder LSD in der klinischen Forschung eine Wiedergeburt als potenzielle Heilmittel bei Süchten sowie psychischen Leiden wie Angst, Depressionen oder Traumata erleben – die Substanzen sind illegal und werden kontrovers diskutiert. Umso spannender ist Xaviers Geschichte.

Xavier war 36 Jahre alt, als er während einer Lebenskrise einen Psychiater aufsuchte. Unglücklich und gefangen in seiner zweiten Ehe warf der unverarbeitete Schmerz über den Tod seiner ersten Frau, der Mutter seines Sohnes, einen Schatten auf sein Leben. «Ich war ein abgespaltener, trauriger Mann, der nur noch funktionierte. Ein Arbeitstier, das sich alles schönredete und null Zugang zu seinen Gefühlen hatte», erinnert er sich. Nach zahlreichen Therapiesitzungen weihte ihn sein Psychiater in die psycholytische Arbeit ein. «Er hatte eine Sonderbewilligung des Bundesamtes für Gesundheit und durfte mit MDMA und LSD arbeiten», berichtet Xavier.


Schlüsselerlebnis mit MDMA

Die Psycholytische Therapie, auch substanzunterstützte Psychotherapie oder Psycholyse genannt, wird seit den 1950ern entwickelt. «Psycholyse» bedeutet «Auflockern/Lösen der Seele». Zu den therapeutisch eingesetzten Medikamenten gehören Entaktogene respektive Empathogene ** (die Begriffe werden synonym verwendet) wie MDMA oder Oxytocin und/oder Halluzinogene (psychotrope Substanzen, die Veränderungen in Denken und Perzeption bewirken und somit eine stark veränderte Wahrnehmung der Realität hervorrufen können) wie DMT, LSD oder Psilo-cybin (s. Box). Es sind psychoaktive Substanzen, unter deren Einfluss die eigenen Emotionen intensiver wahrgenommen werden (entaktogen bedeutet «das Innere berührend», aus griechisch en, «innen», und lateinisch tactus, «berührt»).

Im Gegensatz zur Psychedelischen Therapie, die aus einer kleinen Anzahl Sitzungen mit hohen Dosen (LSD: 400 bis 600 Mikrogramm) besteht, besuchen Patienten bei der Psycholytischen Therapie während mehrerer Jahre bis zu hundert Sitzungen mit mittleren Dosierungen (LSD: 50 bis 200 Mikrogramm) in ein- bis zweiwöchigen Intervallen. Die dabei gemachten Erfahrungen werden in den konventionellen psychotherapeutischen Sitzungen besprochen.

So war es auch bei Xavier, der nach einer fundierten Aufklärung der Psycholytischen Therapie zustimmte. In einer mit Musik unterstützten Gruppentherapie nahm er 125 Milligramm MDMA ein, die noch heute geltende therapeutische Dosis. «Wir lagen auf unseren Matratzen am Boden. Was dann geschah, ist mit Worten kaum zu beschreiben», erinnert er sich. «Es war ein unglaubliches Gefühl.» Liebevoll durch den Psychiater begleitet wurde die erste MDMA-Sitzung für Xavier zu einem Schlüsselerlebnis: «Mein Herz schmerzte vor Trauer und jubelte zugleich. Ich weinte und lachte abwechselnd, fühlte mich in Liebe und Vertrauen geborgen, und spürte, welche Bedürfnisse in mir lange zu kurz gekommen waren.» Erstmals in seinem Leben habe er über seine Gefühle sprechen können.




Reisemittel für Psychonauten

MDMA

3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin; -synthetisches Empathogen, in der Partyszene als Ecstasy bekannt. Setzt vor allem die Glückshormone Serotonin, Noradrenalin und Dopamin frei; man fühlt sich verbunden und geliebt.


GHB

Gamma-Hydroxybutyrat; kein Halluzinogen, in der Partyszene als Liquid Ecstasy bekannt. Wirkung s. Interview auf Seite 40.


DMT

N,N-Dimethyltriptamin; gehört zu den stärksten Psychedelika und ist weit verbreitet in der Natur. Hauptwirkstoff im Pflanzensud «Ayahuasca».


Psilocybin

Inhaltsstoff von halluzinogenen Pilzen («Zauberpilze» oder «Magic Mushrooms») wie dem auch bei uns heimischen Spitzkegeligen Kahlkopf (Psilocybe semilanceata).


Empathogene

Psychoaktive Drogen, welche die Empathie verstärken, z.B. MDMA.


Entheogene

Psychoaktive Drogen in kultischer, spiritueller und religiöser Verwendung, z.B. Pilze.


Psychonautik

Erforschen der eigenen Psyche und des Unbewussten mithilfe von Substanzen oder speziellen Techniken wie dem holotropen Atmen nach Stanislav Grof.


Mit LSD in die Seele tauchen

Einige Zeit später nahm Xavier im Rahmen der Therapie an Gruppensitzungen mit MDMA und LSD teil. «Diese Erfahrung ist nicht vergleichbar mit einem Trip, den die Hippies in Woodstock erlebten», meint er und betont: «LSD verschont einen nicht, wenn man genau hinschaut. Diese Substanz zeigt glasklar auf, was tief in deiner Seele verborgen ist.» Die LSD-Erfahrung könne wie eine wundervolle, schöne Reise zu Alice im Wunderland sein; sie könne einen aber auch mit den eigenen Dämonen konfrontieren. Was erschreckend tönt, habe ihm geholfen, Blockaden zu lösen. «Ich habe während dreier Jahre unbeschreiblich viel gelernt.»


Xavier ist mittlerweile seit 25 Jahren mit psychedelischen und empathogenen Substanzen unterwegs. Er sagt: «Heute bin ich ein glücklicher, weltbewusster und empathischer Mensch mit grossen Gefühlen, die ich auch zeigen kann.» Zudem könne er seine Erfahrungen in seinen Job als Pflegefachmann Psychiatrie integrieren. «Ohne die Psycholytische Therapie und die Sorgfalt meines Therapeuten wäre ich nicht da, wo ich heute bin.» Das Set (das, was der Patient mitbringt, u. a. die innere Einstellung) und das Setting (das Zwischenmenschliche und die physische Umgebung) sei massgeblich für Erfolg oder Misserfolg einer Therapie, betont er. Und: «Von einer Selbsttherapie mit psychoaktiven Substanzen rate ich ab.»


Dies betont auch der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapien Peter Oehen. In indigenen Kulturen sei der Gebrauch von Entheogenen (psychoaktive Drogen in kultischer, spiritueller und religiöser Verwendung) seit Jahrtausenden in ein schamanistisch-kosmologisches Glaubenssystem eingebunden, so Oehen. «In der Schweiz hingegen sind psychedelische Substanzen illegal.» Dennoch, so Oehen, würden vermutlich mehrere zehntausend Menschen in der Schweiz regelmässig ungetestete Psychedelika zu sich nehmen. Die Krux: «Man weiss nie genau, was man in welcher Dosis zu sich nimmt.» Und das kann gefährlich sein. Einen weiteren Denkanstoss gibt Oehen hinsichtlich der Qualifikationen von Therapeuten, Gruppenleitern oder selbst ernannten Neo-Schamanen, etwa bei den trendigen Ayahuasca-Zeremonien. Da gibt es leider auch Scharlatane.



 

«Psychedelika sind nicht von selbst therapeutisch»

Oliver G. Bosch ist Psychiater und Oberarzt am Zentrum für Psychiatrische Forschung der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich (PUK). Was man heute in der Forschung zum -Einsatz von Psychedelika weiss und weshalb «Liquid Ecstasy» bei Demenz helfen könnte – der Spezialist berichtet.


Herr Bosch, muss man als Forscher die Substanzen, über die man forscht, vorher an sich selbst testen ?

Müssen nicht; es ist bei einigen Substanzen aber sicherlich von Vorteil. Grundsätzlich kann man jedoch gut Forscher sein, ohne sein Forschungsobjekt selbst ausprobiert zu haben.


An der PUK arbeiten seit über 20 Jahren Forscher legal mit - bewusstseinsverändernden Wirkstoffen. Mit welchen Sub-stanzen arbeiten Sie ?

Ich habe mich lange Zeit mit Halluzinogenen auseinandergesetzt und an Forschungs-projekten dazu teilgenommen. Als ich 2010 an der PUK anfing, habe ich ein Forschungsprojekt mit GHB, Liquid Ecstasy, aufgebaut. Daran arbeite ich immer noch. Zudem habe ich in den letzten Jahren mit Ketamin gear-beitet und 2011 die Ketamin-Behandlung der therapieresistenten Depression an der PUK eingeführt.


Was wissen Sie über die Wirkung von GHB auf die Psyche ?

GHB wirkt über den haupthemmenden Neurotransmitter im Gehirn. Wenn man die S-ub-stanz tagsüber in niedrigen Dosierungen zu sich nimmt, hat sie eine stimmungsaufhellende, euphorisierende und Libido steigernde Wirkung sowie einen positiven Einfluss auf die soziale Interaktion. Deshalb ist GHB interessant für die Depressionsforschung. Und im Vergleich zu beruhigenden Substanzen wie Benzodiazepinen verstärkt GHB den Tiefschlaf tatsächlich.


Könnte GHB also bei Schlafstörungen helfen ?

Interessant ist, dass man im Tiefschlaf Gedächtnisinhalte speichert und mit der Sub-stanz möglicherweise sein Gedächtnis verbessern kann. Dies könnte Patienten, die sowohl einen gestörten Tiefschlaf als auch eine kognitive Störung haben, zugutekommen. Das trifft vor allem auf Patienten mit Depressionen, aber auch mit Demenz zu. Aktuell führen wir eine vom Schweizerischen Nationalfonds gesponserte Studie durch, die dies bei depressiven Patienten untersucht.


Was sagen Sie zu den neuesten Forschungen zum Wirkstoff Psilocybin, der antidepressives Potenzial haben soll ?

Es gibt Studien, die erste positive Hinweise liefern; es ist wichtig, diese zu beachten. Wir sind aber noch nicht auf dem Stand, dass diese Substanz unmissverständlich als wirksam bezeichnet und guten Gewissens über die Krankenkasse abgerechnet werden kann. Therapiemethoden mit Psychedelika müssen sich noch etablieren und grosse, intensive Studien durchlaufen.


Was kann man denn schon -konkret zur Forschung über den Einsatz von Psychedelika sagen ?

Es gibt Studien mit MDMA, Psilocybin und LSD, die positive Effekte bei Abhängigkeit, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörung zeigen. Aber es sind kleine Studien mit zwischen zehn und sechzig Personen, zum Teil ohne Placebo-Vergleichsgruppe. Um mehr zu wissen, braucht es grössere Studien, die eine gute wissenschaftliche Struktur haben, sprich eine grosse Fallzahl aufweisen und aus einer Placebo- sowie einer Verum-Gruppe bestehen. Eine Placebo kontrollierte Studie ist bei Halluzinogenen allerdings schwierig, weil das Erlebnis zentral ist.


Können nur hohe Dosen einen «Bad Trip» auslösen ?

Je höher die Dosis, desto wahrscheinlicher ist das Gefühl von Überforderung. Das kann aber auch schon in niedrigen Dosierungen passieren, zum Beispiel bei ängstlichen Menschen, die ein starkes Kontrollgefühl haben.


Potenziell gefährlich sind -Halluzinogene für Menschen mit Psychosen, Schizophrenie oder einer Prädisposition für solche Erkrankungen. Was, wenn ich eine Veranlagung habe und es nicht weiss ?

Das ist eine sehr heikle Sache, denn dann kann z. B. eine LSD-Erfahrung einen Schub auslösen. Ein 18-Jähriger, der zum ersten Mal LSD konsumiert und einen schizophrenen Schub hat, hätte diesen vielleicht erst mit 25 bekommen. Gekommen wäre er aber so oder so. Die 60er-Jahre waren diesbezüglich eine grosse Feldstudie; in der Zeit konsumierten Millionen von Menschen LSD. Es gab aber in der Folgezeit keine Zunahme von Schizophrenie.


Worauf ist sonst noch zu achten ?

Dass die Substanzen nicht zu einer Idealisierung führen. Sie haben einen sehr starken Einfluss auf denjenigen, der sie nimmt. Das heisst aber nicht, dass diese Erfahrungen im Leben etwas bringen. Die Einnahme von Psychedelika ist nicht von selbst therapeutisch. Das Entscheidende ist, das Erlebte in einer Psychotherapie weiterzuverarbeiten.





Infos über die Forschungen von Oliver G. Bosch: www.pukzh.ch







 

Legale Therapien in der Schweiz

Peter Oehen und Peter Gasser, ebenfalls Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapien, haben eine Ausnahmebewilligung des BAG für die Behandlung mit MDMA und LSD. Diese Bewilligung gilt nur für schwer kranke Patienten, etwa Krebskranke, die als «austherapiert» gelten sowie für schwer psychisch Kranke, die «therapieresistent» sind. Zu ihnen kämen Menschen, die trotz langjähriger und unterschiedlicher Therapien noch nicht zum Kern ihrer traumatischen Erfahrungen und Problemen vorgedrungen seien, so Oehen. MDMA könne helfen, zum Kern des Problems vorzudringen. Und durch den Einsatz von LSD komme es bei den Patienten vielfach zu einer Symptomverminderung beziehungsweise Verbesserung der Lebensqualität.


Derzeit wird in der Schweiz – und auch in den USA – fleissig über Halluzinogene geforscht. So findet unter anderem am Universitätsklinikum Zürich eine Studie zur Erprobung des Halluzinogens Psilocybin in der Behandlung der Depression statt. Auch DMT (N,N-Dimethyltryptamin, auch «Gottes- oder Bewusstseinsmolekül» genannt), eines der stärksten Halluzinogene überhaupt, das notabene in den meisten Pflanzen, in Tieren und auch im Menschen natürlich vorkommt, ist in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Es darf gespannt auf die Ergebnisse gewartet werden!


**   Wirkstoffe, die dazu führen, dass der Konsument das Gefühl hat, mit anderen – Menschen, Tieren und anderen Wesen – gemeinsam eine Einheit zu bilden, sie zu verstehen und mit ihnen zu fühlen. Solche Wirkstoffe werden gerne in der Psycholytischen Psychotherapie eingesetzt, da sich der Patient unter ihrem Einfluss dem Therapeuten öffnet und dieser leichteren Zugang zum Patienten und dieser wiederum leichter zu sich selbst findet.


Buchtipps

● Claude Weill «Elysium hin und zurück: Mit Psychedelika unterwegs in der zweiten Lebenshälfte», Edition Spuren 2020, ca. Fr. 25.–


●  Markus Berger «DMT. Forschung, Anwendung, Kultur», AT Verlag 2017, ca. Fr. 42.–


●  Claudia Möckel Graber «Eintritt in heilende Bewusstseinszustände. Grundlagen zur Psycholytischen Praxis», Nachtschatten 2015, ca. Fr. 26.–


●  Samuel Widmer «Ins Herz der Dinge lauschen. Vom Erwachen der Liebe», Nachtschatten 1989, ca. Fr. 42.–


● Stanislav Grof «Psychedelische Selbsterfahrung und -Therapie», Nachtschatten 2020, ca. Fr. 15.–


● Michael Pollan «Verändere dein Bewusstsein. Was uns die neue Psychedelik-Forschung über Sucht, Depression, Todesfurcht und Transzendenz lehrt», Kunstmann 2019, ca. Fr. 42.–


Links


● Schweizerische Ärztegesellschaft für -Psycholytische Therapie www.saept.ch


● Das Heffter-Forschungsinstitut fördert die Erforschung von Psychedelika, um zu einem besseren Verständnis des Geistes und der Linderung von Leiden beizutragen www.heffter.org


● Eine Fülle an zuverlässigen Informationen über psychoaktive Pflanzen, Chemikalien und verwandte Themen findet man auf www.erowid.org


● Informationen über die Erforschung von -Psilocybin im Zusammenhang mit Spiritualität www.csp.org


Aktualisiert: 9. Sept. 2021

Kategorie: Natur


In den letzten Jahren wurden Eschen und Fichten vermehrt von Schädlingen befallen, sodass sie massenhaft absterben. Die zunehmende Erwärmung sorgt zusätzlich dafür, dass unsere Wälder sich nachhaltig verändern.


Wald der Zukunft


Im Zuge des Klimawandels wird es wärmer und im Sommer trockener, so die gängige Prognose. Das hat auch Auswirkungen auf den Wald; seine Zusammensetzung wird sich verändern. Doch wie kann der Wald klimafit gemacht werden? Um diese Frage zu beantworten, hat die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) das Projekt «Testpflanzungen zukunftsfähiger Baumarten» lanciert:



In der ganzen Schweiz soll ab Herbst 2020 bis ins Jahr 2022 ein Netzwerk von 50 bis 60 Testpflanzungen «potenziell zukunftsfähiger Baumarten» eingerichtet werden.



30 bis 50 Jahre will man diese Testpflanzungen beobachten.




So soll ermittelt werden, welche Baumarten unter den klimatischen Bedingungen, die gegen Ende des 21. Jahrhunderts erwartet werden, besser wachsen können als diejenigen, die heute in unseren Wäldern vorherrschen. krea





In der nordischen Mythologie hat die Esche eine besondere Bedeutung: Sie ist der Weltenbaum Yggdrasil, wie wir in der isländischen Edda, ein auf Altisländisch verfasstes literarisches Werk, erfahren. Die Zweige des Yggdrasils sollen sich über den ganzen Himmel und über die ganze Welt erstrecken, während der Baum auf drei Wurzeln ruhe, unter denen Quellen entspringen.


Auch in der modernen Zeit hat die Esche eine wichtige Bedeutung: Eschenholz ist sehr beliebt und wird wegen der positiven Eigenschaften zu den Edellaubhölzern gezählt. Es gehört nach dem Holz von Buche und Eiche zu den wichtigsten Laubnutzhölzern Mitteleuropas. Es wird verwendet, wenn höchste Ansprüche an Festigkeit und Elastizität gestellt werden, etwa bei der Herstellung von Werkzeugstielen oder Sportgeräten. Doch heute ist dieser Baum bedroht. Anfang der 1990er-Jahre begannen im nordwestlichen Teil von Polen die Eschen in grosser Zahl abzusterben. Danach breitete sich das Eschensterben von Polen nach Schweden, Österreich, Deutschland, Dänemark, Finnland, Litauen, und Tschechien aus. Inzwischen ist auch der Bestand auf den Britischen Inseln bedroht.

Forscher fanden heraus, dass ein kleiner Pilz Namens Hymenoscyphus pseudoalbidus, auch «Falsches Weisses Stängelbecherchen» genannt, dafür verantwortlich ist. An den infizierten Eschen sind zuerst braune Flecken an Blättern zu beobachten; später sind auffällige Welkerscheinungen zu sehen, die einen vorzeitigen Blattfall und Kronenverlichtungen zur Folge haben. Schliesslich fault der untere Teil des Stammes und der Baum stirbt endgültig.


Manche Eschen sind resistent

Eschen sind die zweithäufigsten Laubbäume in der Schweiz. 2008 wurde der aus Ostasien eingeschleppte Pilz in der Schweiz zum ersten Mal festgestellt. Innert weniger Jahre hatte er sich im ganzen Land ausgebreitet, sodass rund 90 Prozent aller Eschen heute vom Falschen Weissen Stängelbecherchen befallen sind. Es ist schwierig abzuschätzen, wie viele der befallenen Bäume absterben werden. Am gefährlichsten ist es, wenn der Pilz den Stamm angreift. «Die Esche wird seltener werden, aber kaum aussterben», sagt Reinhard Lässig von der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL. Das Eschensterben erinnere an das ebenfalls durch einen Pilz verursachte Ulmensterben in Mitteleuropa vor mehreren Jahrzehnten. «Es gibt heute immer noch Ulmen, aber weniger als vor 50 Jahren.»

Während an vielen Orten durch das Fällen der kranken Eschen die Verbreitung des verantwortlichen Pilzes Einhalt geboten werden soll, verfolgen Forscher der Universität Wien eine andere Strategie. Einzelne Exemplare der verschiedenen heimischen Eschenarten können sich gegen den Schädling behaupten. Diese Tatsache bildete den Ausgangspunkt der vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) und der Universität für Bodenkultur Wien (Boku) gestarteten Initiative namens «Esche in Not».

In einer Testplantage bei Tulln wird daran gearbeitet, dass die Eschen langfristig erhalten bleiben. So wurden 700 gesunde Eschen aus ganz Österreich gesucht, die scheinbar resistent sind gegenüber dem Schadpilz. Aus Samen dieser gesunden Eschen wurden 35 000 Jungbäume herangezogen. In den Versuchsgärten von Tulln werden die Eschen unter standardisierten Umweltbedingungen dem Schädling ausgesetzt. Durch den hohen Befallsdruck durch zusätzlich künstlich eingebrachte Pilzsporen erkranken auch einige Nachkommen der gesunden Mutterbäume. Einige dieser jungen Eschen können den Befall jedoch gut abwehren und weisen keine oder nur sehr geringe Krankheitssymptome auf. Diese Pflanzen eignen sich langfristig für die weitere Vermehrung.

Dieser Ansatz scheint vielversprechend zu sein. Denn langfristig kann der Fortbestand der Eschen nur durch eine Resistenz gegen den schädlichen Pilz ermöglicht werden. Denn ein Pilz, der einmal eingedrungen ist, kann nicht mehr so einfach entfernt werden – also muss die Wirtspflanze eine Resistenz gegen ihn entwickeln können.


Der Wald verändert sich

Es sterben jedoch nicht nur die Eschen, auch die Fichten werden grossräumig Opfer eines Schädlings: Der in Mitteleuropa vorkommende Fichtenborkenkäfer kann unter bestimmten klimatischen Bedingungen vor allem in Monokulturen riesige Schäden anrichten. Opfer der Borkenkäfer sind vor allem kränkelnde und sturmgeschädigte Fichten, da diese sich nicht wie gesunde Bäume durch Harzaustritt wehren können. Dabei bohren die Käfer weitläufige Brutsysteme in die Rinde der Bäume.

Der Borkenkäfer braucht einen schönen, warmen und trockenen Sommer, damit sich mindestens zwei volle Generationen vom Ei bis zum erwachsenen Käfer bilden können. Während heissen, trockenen Sommern wie z. B. 2018 können sich bis zu drei Käfergenerationen entwickeln. Das Brutsystem eines Weibchens enthält zirka 60 Larven und mit jeder Generation vervielfacht sich die Anzahl der Käfer.

Die Stürme «Vivian» und «Wiebke» im Februar 1990 und der Sturm «Lothar» im Dezember 1999 fällten und beschädigten sehr viele Bäume. Dies führte zu einer enormen Vermehrung des Borkenkäfers. So trat in den «Lothar» Sturmschadengebieten eine Zunahme des Borkenkäfers auf, wie sie die Schweiz in den vergangenen 200 Jahren nicht erlebt hat.

Da man Fichten weiträumig als Bauholz verwendet, wurden diese in den letzten gut hundert Jahren überall angepflanzt; teilweise in Monokulturen. Sie verdrängten damit andere Baumarten massiv. Weil die Fichte mit ihren Wurzeln an der Oberfläche bleibt, sind die Nährstoffe im oberen Teil des Bodens zurückgegangen. Auffällig ist auch, dass bei starken Stürmen jeweils viele Fichten dem Wind zum Opfer fallen. Obwohl das Problem erkannt wurde, wird es noch lange dauern, bis sich andere Baumarten ihren Lebensraum wieder zurückerobert haben.

Der Klimawandel betrifft auch die Wälder. Die Erwärmung und die teilweise grössere Trockenheit in mittleren und hohen geografischen Breiten begünstigen die Vermehrung des Borkenkäfers. «Trockene, heisse Jahre wie 2003 und 2018, aber auch von Stürmen ausgelöste Windwürfe schwächen viele Fichten und bieten dem Borkenkäfer optimale Bedingungen, um sich zu vermehren. Dieser intensive Insektenbefall bringt dann viele Fichten zum Absterben. Darum ist die Fichte im Moment die am stärksten vom Klimawandel betroffene Baumart», sagt Reinhard Lässig. «Unsere Prognosen zeigen, dass dieser Nadelbaum im Mittelland, wo er an vielen Orten nicht natürlich vorkommt, in den kommenden 30 bis 50 Jahren deutlich seltener werden wird. Solange es in den Bergregionen gute Böden und genügend Niederschlag gibt, kann die Fichte dort einiges wieder wettmachen, was sie im Mittelland verliert.» Sie verdränge dort andere Baumarten, die ihr Verbreitungsgebiet ebenfalls in grössere Höhen verlagerten. Künftig müssten Fichten im Mittelland durch andere Baumarten ersetzt werden. «Wir müssen auch über Baumarten aus dem Ausland nachdenken», sagt Lässig. «Denn wenn es wärmer und trockener wird, ähnelt unser Klima in Zukunft mehr dem heutigen im nördlichen Mittelmeerraum, wo es ja zum Beispiel auch andere Eichenarten gibt.»

All diese Vorgänge führen uns vor Augen, dass der Wald ein sehr dynamisches System ist, das sich laufend den Umweltbedingungen anpasst und sich dementsprechend verändert. Das ist ganz natürlich. //


 














Verwendung von Eschenholz


Die Esche kann bis zu 40 Meter hoch und bis zu 300 Jahre alt werden. Die Eschen sind eine Pflanzengattung aus der Familie der Ölbaumgewächse (Oleaceae). In Europa sind drei Arten heimisch: die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), die Manna-Esche (Fraxinus ornus) und die Schmalblättrige Esche (Fraxinus angustifolia).


Das Eschenholz wird als Massivholz und in Form von Furnieren häufig verwendet. Es eignet sich ebenfalls sehr gut für Wohn- und Schlafzimmermöbel und in gebogener Form für Sitzmöbel sowie für Wand- und Deckenverkleidungen und zur Herstellung von Parkett- und Dielenböden.


Das Eschenholz wird vor allem eingesetzt, wenn hohe Ansprüche an die Festigkeit, Zähigkeit und Elastizität gestellt werden, so zur Herstellung von Stielen für Werkzeuge oder von Sport- und Turngeräten sowie als Schaftmaterial für die bei der Billard-Variante Snooker eingesetzten Queues. Früher hatte das Eschenholz noch eine grosse Bedeutung beim Bau von Wagen und Kutschen, denn es galt als am besten geeignet zur Herstellung von Naben, Felgen, Speichen, Deichseln und Leiterwagen. Ebenso hatte es eine grosse Bedeutung im Fahrzeug- und Waggonbau. So hatten die Wagenkästen von Kutschen ein Gerippe aus Eschenholz sowie bis in die 1920er-Jahre fast alle Autokarosserien.


In der Volksheilkunde verwendet man Eschenrinde als stärkendes Mittel (Tonikum), insbesondere zur Behandlung von Fieber und Rheuma. Die Blätter und Samen werden ebenfalls bei Rheuma und Fieber eingesetzt, darüber hinaus auch bei leichten Gelenkschmerzen, Gicht, Blasenleiden und Darmträgheit. Wirkstoffe sind u. a. ätherisches Öl, Gerbstoffe, -Flavonoide wie Rutin, stark bitter schmeckende Secoiridoid-glucoside, Phenolcarbonsäuren und Triterpene. Die Rinde ist darüber hinaus besonders reich an Cumarinen.
















Verwendung von Fichtenholz


Die Gemeine Fichte (Picea abies) ist ein immergrüner Nadelbaum. Fichten erreichen in der Regel Wuchshöhen von 20 bis 60 Metern, in Ausnahmefällen von über 80 Metern. Der Stammdurchmesser beträgt bis zu maximal 2,5 Metern, bei einzelnen Arten treten Extremwerte von bis zu 4 Metern auf. Die Fichte ist – neben der Tanne – der grösste europäische Baum. Sie kann bis zu 600 Jahre alt werden, die sogenannte forstliche Umtriebszeit beträgt jedoch nur 80 bis 120 Jahre. In Schweden steht ein ganz seltenes Exemplar einer rund 9550 Jahre alten Fichte. Sie gilt als ältester Baum der Welt.


Die Fichten zählen auf der Nordhalbkugel zu den wichtigsten forstwirtschaftlich genutzten Baumarten. So gilt in Mitteleuropa die Gemeine Fichte als «Brotbaum der Forstwirtschaft». Das rasche Wachstum, der gerade Wuchs, die geringen Ansprüche an den Standort sowie die gute Verwend- barkeit des Holzes hatten zur Folge, dass dieser Baum überall in grosser Zahl in Monokulturen angepflanzt wurde. Das Fichtenholz wird vor allem als Bau- und Möbelholz sowie zur Papier- und Zellstoffherstellung verwendet.


Gleichmässig gewachsene Stämme aus dem Hochgebirge finden Verwendung als Klangholz speziell für den Resonanzboden bei Tasteninstrumenten oder als Resonanzdecke bei Zupf- und Streichinstrumenten.


Die zarten jungen Triebe, aber auch Nadeln und Harz der Fichten können als Heilmittel verwendet werden, vor allem bei Erkrankungen der Atemwege, insbesondere wenn sie bakterieller Natur sind und Schleim festsitzt. Auch bei Nervosität, Rheuma, Gicht und Durchblutungsstörungen kann die Fichte hilfreich sein. Man kann sie als Tee oder -Tinktur einnehmen oder die jungen Triebe einfach essen. Hauptinhaltsstoffe sind ätherisches Öl, Terpentinöl, Harz, Glykoside, Gerbstoffe und Vitamin C.




Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Gesundheit


Nicht nur die Veranlagung ist verantwortlich – auch Stress, Mobbing oder -Schicksalsschläge können eine Depression auslösen. Sie zählt zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere vielfach unterschätzten Erkrankungen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Junge öfters als Alte. Aber: Zur Behandlung braucht es längst nicht immer Medikamente.



«In meinem Leben gab es immer wieder längere Phasen, in denen mir alles sehr schwer fiel. Ich fühlte mich dann energielos und innerlich leer», erzählt Melanie Gerber (Name geändert). «Das Vorbereiten der Lektionen kostete mich jeweils viel Kraft. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, ich konnte mich nur schwer konzentrieren. Für die alltäglichen Arbeiten im Haushalt fehlt mir oft die Kraft.»


«Beim Gedanken, bald wieder vor einer Klasse stehen zu müssen, bekam ich Angstzustände

Die 48-jährige geschiedene Lehrerin hat oft nur das Allernötigste erledigt – und dabei ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie mehr von sich erwartete. Vor einem Jahr, gegen Ende der Schulferien, verschlimmerte sich ihr Zustand. «Ich fühlte mich überhaupt nicht erholt. Beim Gedanken, bald wieder vor einer Klasse stehen zu müssen, bekam ich Angstzustände. Nachts lag ich stundenlang wach und konnte an nichts anderes als an die Erwartungen der Eltern und der Schüler denken.» Nach einigem Zögern suchte sie den Hausarzt auf. Dieser schrieb Gerber krank und überwies sie zur Behandlung in eine psychiatrische Tagesklinik. Mittlerweile hat sie, vorerst in einem beschränkten Pensum, ihre Arbeit wieder aufgenommen.


Ein Teufelskreis

Eines der typischen Anzeichen für eine Depression ist die Furcht, die Anforderungen des Alltags kaum mehr bewältigen zu können. Selbst einfache Tätigkeiten erfordern grosse Überwindung und strengen enorm an. Die psychische Störung verringert zudem den Antrieb sowie die Merk- und Konzentrationsfähigkeit. Dies reduziert das ohnehin geschwächte Selbstvertrauen zusätzlich. Mit dem Tief verbundene Versagensängste und Schuldgefühle untergraben es weiter. Anhaltende Niedergeschlagenheit ist also ein destruktiver psychischer Prozess, der sich selber am Laufen hält. Es ist nicht leicht, die Mechanismen einer Depression aus eigener Kraft zu überwinden.

Da eine depressive Verstimmung nicht mit einer Röntgenaufnahme oder einer Laboruntersuchung nachweisbar ist, ist die Grenzziehung zwischen einer normalen Trauerreaktion und einer behandlungsbedürftigen Störung nicht einfach zu ziehen. Zudem treten die Beschwerden individuell unterschiedlich auf. Nicht immer ist eine anhaltend gedrückte Stimmung krankheitsbedingt; sie kann in bestimmten Lebenslagen auch eine ganz normale Reaktion sein.


 


Mittelmeerkost kann Depressionen -lindern

Eine mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Nüssen, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten zusammen mit Fischöl-Kapseln kann das psychische Wohlbefinden deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher von der Universität Südaustralien in Adelaide. Bei ihren Probanden hatten Angst, Stress und negative Emotionen sowohl nach drei als auch nach sechs Monaten deutlich abgenommen. Gleichzeitig hatte sich die Lebensqualität der Teilnehmer spürbar verbessert. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe waren die Depressionswerte um 45 Prozent gesunken. Die Forscher vermuten, dass soziale Kontakte – etwa gemeinsam kochen und essen – die positiven psychischen Effekte der gesunden Ernährung noch verstärken. MM

 


Sich wichtig nehmen

Während einer Depression oder einer schwierigen Lebensphase verzerrt sich die Sicht auf die Wirklichkeit. Pessimismus, Schuldgefühle und Selbstkritik dominieren. Die entsprechenden Denkmuster wirken zermürbend. Auf folgende Weise können Betroffene deren destruktive Wirkung dämpfen:

● Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Gedankenfluss. Unterbrechen Sie ihn, wenn er eine negative -Wendung nimmt, indem Sie sich auf Ihren Atem konzentrieren. Wenn Sie achtsam sind, merken Sie schnell, wenn Ihre Gedanken abschweifen. Das ist völlig in Ordnung und ganz normal. Konzentrieren Sie sich dann einfach wieder auf Ihren Atem.

● Halten Sie tagsüber mehrmals inne. Wie fühlen Sie sich gerade in diesem Moment? Diese Achtsamkeit sich selbst gegenüber bringt Sie näher zu ihren eigentlichen Bedürfnissen. Das hilft, Distanz zu den Ansprüchen anderer zu gewinnen.

● Notieren Sie jeden Abend vor dem Schlafengehen drei Erlebnisse, die für Sie tagsüber erfreulich waren. Dies kann ein stimmungsvoller Sonnenuntergang, ein freundlicher Zugbegleiter, ein Lied im Radio usw. sein.

● Schreiben Sie sich selber täglich ein aufmunterndes SMS oder eine liebevolle E-Mail.


Eine gedrückte Stimmung, fehlende Unternehmungslust, Schlafstörungen sowie das Bedürfnis nach Rückzug als Folge des Verlustes eines nahestehenden Menschen, eines Haustiers oder einer Arbeitsstelle ist nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil! In der Regel regelt sich die Gemütsverfassung nach einigen Wochen von selber wieder und die körperlichen Beschwerden lassen nach.

Im Gegensatz dazu halten Niedergeschlagenheit und andere Beschwerden bei einer Depression über längere Zeit an. Diese kann durch äussere Gründe ausgelöst werden, aber auch ohne erkennbaren Anlass auftreten. Die tieferen Ursachen sind vielfältig: Tageslichtdefizite im Winter sind ebenso mögliche Auslöser wie chronische Überforderung am Arbeitsplatz oder eine Sinnkrise nach der Pensionierung, um nur einige Beispiele zu nennen.


Verkaufsschlager Antidepressiva

Ab den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts erschienen immer neue Generationen von Medikamenten gegen Depressionen. Durch ihre Wirkung werden im Gehirn verschiedene Botenstoffe intensiver ausgeschüttet. In den letzten Jahren haben die Verschreibungen von Antidepressiva kontinuierlich zugenommen. Laut Statistik werden in der Schweiz jährlich zwischen 3,5 und 4 Millionen Packungen abgegeben. Damit ist die Einnahme innert zehn Jahren um rund eine Million Packungen gestiegen.

Die entsprechenden Medikamente werden vermehrt auch von Hausärzten verschrieben. Dies hat Kritiker auf den Plan gerufen. In einem Interview forderte kürzlich etwa der renommierte Zürcher Psychiatrieprofessor Daniel Hell, dass Langzeitbehandlungen mit Antidepressiva Psychiatern vorbehalten sein sollten. Noch immer sei die irrtümliche Annahme verbreitet, diese Medikamente würden die Ursachen einer Depression bekämpfen. «Tatsächlich aber lindern sie nur die Symptome.»

Für eine wirkungsvolle Behandlung sind regelmässige therapeutische Gespräche, ein Verhaltenstraining sowie das Forschen nach den Krankheitsauslösern entscheidend. Die Ursache für die Verstimmung liegt oft in den Lebensumständen der Patienten – und gegen diese wirken die Medikamente nun mal nicht.

Bei Depressionen ist das Wiederauftreten einer erneuten Krankheitsepisode relativ hoch: Sie liegt bei rund 80 Prozent. Inwieweit Antidepressiva Rückfälle verhindern können, ist in der Fachwelt sehr umstritten. Sicher ist: Mit jeder weiteren Phase steigt das Risiko neuerlicher Ausbrüche. Nach drei depressiven Episoden liegt das Risiko weiterer Störungen schon bei 90 Prozent!


Das Gedankenkarussell stoppen

Forschende haben nach Möglichkeiten gesucht, wie psychische Tiefs ohne chemische Präparate zu überwinden sind. Wie eine Auswertung verschiedener Studien ergab, wirkt moderat ausgeübter Sport ähnlich wirksam wie entsprechende Medikamente. Das Handicap ist dabei, dass Betroffene in einer depressiven Akutphase kaum genügend Antrieb für regelmässige Walkingrunden oder für Besuche von Schwimmbädern aufbringen. Nach dem Nachlassen der Symptome kann jedoch körperliche Betätigung die Genesung beschleunigen und Rückfällen entgegenwirken.

Wie die Forschung gezeigt hat, neigen zu Depressionen veranlagte Menschen zu negativen Denkmustern. Sie grübeln stundenlang über Nebensächlichkeiten oder längst zurückliegende Ereignisse. Auf diese Weise setzt eine fatale Abwärtsspirale ein, die Stimmung sinkt immer weiter. Wie die neuere Hirnforschung ergeben hat, verfestigen sich mit jeder weiteren depressiven Phase destruktive Muster in den Mikrostrukturen des Gehirns. Geringfügige Ereignisse im Alltag können sie aktivieren und eine Negativspirale auslösen. Um die Neigung zu depressiven Episoden zu verringern, müssen diese Automatismen im Denken gewandelt werden. In der Folge verändern sich auch die neuronalen Verbindungen im Gehirn. Trainingsprogramme wie MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy, zu Deutsch: Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie) helfen, diese -destruktiven Denkmuster bewusst wahr-zunehmen und inneren Abstand zu ihnen zu gewinnen.

In Grossbritannien werden Antidepressiva mittlerweile hauptsächlich bei sehr ausgeprägten Krankheitsverläufen eingesetzt. Bei leichten und mittleren Depressionen übernehmen seit 2007 staatlich ausgebildete psychologische Gesundheitstherapeuten die Betreuung. Sie arbeiten mit computergestützter Verhaltenstherapie, mit angeleiteter Selbsthilfe und mit Bewegungsprogrammen. Wenn sich der Zustand nicht in angemessener Zeit verbessert, werden die Erkrankten kognitiven Verhaltenstherapeuten zugewiesen, die auch bei schwierigen Verläufen Erfolge erzielen können. Ein Erfolgsmodell, auch für die Schweiz? //











Buchtipps:


Patrizia Collard «Achtsamkeitsbasierte -Kognitive Therapie für -Dummies», Wiley-VCH 2014, ca. Fr. 28.–

Mark Williams, - Jon Kabat-Zinn u.a. «Der achtsame Weg durch die Depression», Arbor 2009, ca. Fr. 50.–

Diana Hochgräfe «Aus der Dunkelheit ins Licht. Mein Weg aus den -Depressionen», Tredition 2018, ca. Fr. 38.


Links

Vermittlung von Adressen von MBCT-Trainerinnen und –Trainern sowie von Kurs-angeboten: www.mbsr-verband.de

Unabhängige Beratung zu Fragen um psychische -Leiden: www.promentesana.ch





bottom of page