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Kategorie: Gesundheit


Im Vokabular der Spiritualität nimmt der Begriff Erleuchtung einen prominenten Platz ein. Er steht für das Überwinden des Egos und eine Verschmelzung mit dem Göttlichen. Oft sind wir der Erleuchtung näher, als wir denken.




Kein Blitz. Kein helles Licht. Keine göttliche Erscheinung. Viele Menschen haben laut Hans-Walter Hoppensack, ehemaliger reformierter Pfarrer in Mollis (GL) und Zen-Lehrer am Lassalle-Haus in Edlibach (ZG), falsche Vorstellungen von der Erleuchtung. «Sie glauben, dass man wie aus dem heiteren Himmel erleuchtet wird und danach allwissend ist.» Doch dem sei nicht so. Vielmehr zeige sich die Erleuchtung als ein längerer Prozess mit diversen Erleuchtungserfahrungen im Leben eines Menschen – ein Prozess, der sich nur bedingt steuern lässt.

Bei Hans-Walter Hoppensack passierte es während einer Zen-Meditation. «Plötzlich erkennt man die Dinge, die uns umgeben und prägen, von einer anderen Seite. Mir wurde bewusst, wie alles zusammengehört, alles eins ist und aus der gleichen Quelle stammt. Das Eine begegnet sich selbst im Andern.» Der 63-jährige Schüler des Jesuiten und Zen-Meisters Niklaus Brantschen vom Lassalle-Haus interessierte sich schon seit Jahren für die mystische Gotteserfahrung. Weil die evangelisch-reformierte Kirche dazu keine Antworten geben konnte, entschied er sich, den Weg des Zen zu gehen und diesen zusammen mit dem christlichen Glauben zu leben.

Seit etwas mehr als 15 Jahren praktiziert Kelsang Chogdrub den buddhistischen Glauben. Seit zehn Jahren wirkt er als buddhistischer Mönch. Zuerst in Holland, wo der heute 38-Jährige aufgewachsen ist. Seit eineinhalb Jahren lebt er in der Schweiz und lehrt am Kadampa Meditationszentrum in Zürich. Im traditionellen orangen Gewand gekleidet, empfängt er uns im Meditationszentrum und führt uns in den grosszügigen Gebetsraum, wo täglich meditiert und gebetet wird; auch Vorträge über den Buddhismus und die Erleuchtung werden hier gehalten. Auch Kelsang Chogdrub versteht diese als Prozess: als Entwicklung, die man als Mensch Schritt für Schritt geht – wie bei einer Bergwanderung, wo der Gipfel zunächst vielleicht noch unerreichbar weit entfernt scheint, mit jedem Schritt aber näher und näher kommt. «Ist man auf dem Weg zur Erleuchtung», sagt er, «fühlt es sich an wie eine Befreiung von inneren Zwängen, negativen Gedanken und Gefühlen.»


Pilgerfahrt des Ego-Bewusstseins

Es gibt verschiedene Definitionen und Erklärungsmodelle rund um das Phänomen der Erleuchtung. Die einen sehen darin einen Zustand der Seele, die mit der Erleuchtung nicht mehr von anderen Lebewesen wie auch vom Universum und der alles beinhaltenden Leere – dem Nirvana – als getrennt erfahren wird. Häufig wird dabei auch von der Verschmelzung mit der einen Wirklichkeit gesprochen, die keine Abgrenzung geschweige denn Isolierung mehr zulässt. Es ist ein Bewusstsein des All-Eins-Seins. Diese Erkenntnis der Einheit aller Dinge zieht sich wie ein roter Faden durch alle spirituellen und mystischen Lehren der Welt: Ein wesentliches Merkmal der Erleuchtung wird darin gesehen, dass man sich selbst in allen Dingen, und alle Dinge in sich selbst erkennt.

«Erleuchtung» kann auch verstanden werden als die Vervollkommnung des Menschen im Gottes-bewusstsein. Somit erfüllt sich die Sehnsucht und Absicht unserer Seele, zu uns selbst heimzukehren. Auf der metaphorischen Ebene kann die Erleuchtung als letzter Schritt auf einer Pilgerfahrt des Ego--Bewusstseins bezeichnet werden. Sinn ist es, jeden Moment dieser Reise bis zum letzten Augenblick zu erfahren.



Der Weg des Zen

«« Den Weg der Erleuchtung kennenlernen und meistern heisst, sein wahres Selbst kennenlernen und meistern. Sein wahres Selbst kennenlernen und meistern heisst, sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen heisst, mit dem ganzen Universum eins sein.

Dogen Zenji, 1200–1253, einflussreicher Lehrer des Zen-Buddhismus


Der buddhistische Mönch Kelsang Chogdrub sieht in der Erleuchtung eine Art Befreiung des Menschen von seinem Leiden, das sich in Form von negativen Mustern wie Ignoranz, Egoismus, Verblendung usw. manifestiere. Für Hans-Walter Hoppensack steht «Erleuchtung» für die Erkenntnis, dass auf der Ebene des Wesens «Niemand» da ist, wo wir «Jemanden» vermuten. «Man spricht in der Mystik in diesem Zusammenhang auch vom «Ich-Tod›», ergänzt der Theologe und Zen-Meister.

Der griechische Philosoph Platon beschäftigte sich in seinem sogenannten «siebten Brief» mit dem Begriff Erleuchtung. Erleuchtung entstehe, so Platon, indem man Benennungen, Wahrnehmungen, Erklärungen und Ansichten solange aneinander «reibe», bis Einsicht über das jeweilige Thema aufleuchte. Platon hat diesem Aufleuchten einen «feurigen» Charakter attestiert, bei dem die Seele erhellt werde. Mit dieser Erklärung hat der Schüler Sokrates die religiöse Basis für die Erleuchtung geschaffen.


Den Kopf knacken

Die Hirnforschung spricht bei «Erwachten» von einem Rückfall in eine frühe Stufe kindlicher Naivität. Erwachen gilt als Vorstufe der Erleuchtung. Die grossen indischen Yogis kennen bis zu sieben Stufen, die das Bewusstsein erklimmen kann. Beim Erwachen empfindet sich der oder die Erwachte als reines «Selbst», das zwar in einem physischen Körper lebt, sich jedoch nicht mehr mit diesem identifiziert; ebenso wenig mit dem Verstand oder den Gefühlen, ja nicht einmal mehr mit seinem Namen. In der Psychiatrie nennt man dieses Phänomen Cotard-Syndrom – eine psychische Erkrankung mit schizophrenen Wahnvorstellungen und affektiven Psychosen.

Der deutsch-kanadische Erwachte Eckhart Tolle beschreibt das wache Selbst als einen «Zustand innerer Weite». Diese Weite könne entstehen, wenn Emotionen und Gedankenmaschine still werden. Dann bestehe die Chance für das Selbst, als reines Bewusstsein zu erwachen. Man sei dann ganz in der Wahrnehmung, unabhängig von Gedanken und Emotionen. Dafür mit überwältigenden Gefühlen von Liebe, Freiheit und Entspannung. «Das Ich wird als Konstrukt erkannt», erklärt Hans-Walter Hoppensack. «An und für sich gibt es nur das Eine, Unendliche, Göttliche. Und man nimmt sich selber nicht mehr so wichtig.» Der Zen-Meister gibt jedoch zu bedenken, dass sich der Charakter eines Menschen trotz Erleuchtungserfahrung nicht unbedingt verändert.


 

Anleitung zur Meditation


■ Atem begleiten (mit Zählen der Atemzüge bis 10).

■ Einfach nur still sitzen.

■ Sitzen mit dem Fokus auf der sinnlichen Wahrnehmung von dem, was jetzt ist.

■ Wahrnehmen, was ist, besonders im Moment der Atempause nach dem Ein- resp. Ausatmen.

■ Sitzen mit der Frage: «Wer bin ich in meiner -unmittelbaren Erfahrung ?»

■ Sitzen mit der Frage: «Wer bin ich ohne meine Geschichte ?»


Quelle: Lassalle-Haus



Meditation als Königsweg

Viele Wege führen zur Erleuchtung. Diesen Eindruck hat man jedenfalls angesichts der unzähligen Ratgeber und Berichte zum Thema. Doch nach der Lektüre steht man oft mit mehr offenen Fragen als Antworten da. Auch mit Schweinebraten und Bier, ja mit einem gänzlich unspirituellen Lebenswandel bestehe durchaus die Möglichkeit, erleuchtet zu werden, meint zum Beispiel Tanja Braid in ihrem Blog «Was ist Erleuchtung».

Bekannt sind indes andere Geschichten. Die Bibel etwa berichtet von 40 Tagen, die Jesus in der Wüste verbrachte. Buddha lebte sechs Jahre lang in Askese; und dann wandte er sich der Meditation zu. Der Rückzug in die Einsamkeit, die Meditation und Stille und mitunter auch die Askese – sie gelten als Königsweg zur Erleuchtung. Das kommt nicht von ungefähr: In der Stille begegnet die Seele sich selbst; losgelöst von Gedanken und Einflüssen, die von aussen auf den Menschen einwirken. «Der Erleuchtung ist es egal, wie man sie erlangt», lautet ein Buchtitel. Hans-Walter Hoppensack stimmt dem grundsätzlich zwar zu. «Doch der Weg über die Spiritualität und die Meditation scheint mir ein zuverlässiger Weg zu sein.»

Auch für Kelsang Chogdrub ist die Meditation ein zentraler Akt, um seinen Geist zu schulen. «In der Meditation wird unser Geist mit den Tugenden vertraut, die uns der Erleuchtung näherbringen.» Erleuchtung gehe einher mit der Erlangung des inneren Friedens, betont er. Und dieser wiederum könne nur erreicht werden, wenn der Mensch bereit und motiviert sei, diesen Weg auf sich zu nehmen. «Oft suchen wir die Quellen des Glücks im Aussen. Im Buddhismus sind wir überzeugt, dass wir diese Qualitäten nur in uns selbst finden», sagt der Mönch. Wichtig sei auch, nicht mit falschen Erwartungen in den spirituellen Prozess einzusteigen. Manche Menschen reagierten ungeduldig und enttäuscht, wenn sich eine Erleuchtungserfahrung nicht früh genug bemerkbar mache. Es brauche aber Geduld und Ausdauer.


Näher, als wir denken

«Mit jedem Schritt, den wir auf diesem Weg gehen, kommen wir dem Ziel näher. Doch wir müssen manchmal auch Rückschläge in Kauf nehmen», gibt Kelsang Chogdrub zu bedenken. Manche glaubten, eine Erleuchtungserfahrung sei für sie unerreichbar. «Dabei ist die Erleuchtung meist gar nicht so weit von uns entfernt, wie wir glauben. Durch das konstante Dranbleiben werden wir bei jedem Schritt aufs Neue erleuchtet. Zudem stellen wir fest, wie durch unsere Geduld und das Mitgefühl zu anderen Menschen die negativen Aspekte wie etwa Wut oder Eifersucht aus unserem Geist verschwinden.»

Alles nur ausgedacht? Matthias Pöhm, Rhetorik- und Kommunikationstrainer sowie Autor des Buches «Erleuchtet aber keine Ahnung» äussert sich kritisch – manchmal auch ziemlich populistisch und reisserisch – über Menschen, die sich öffentlich als erleuchtet bezeichnen und eine Anhängerschaft um sich bilden. «Erleuchtete haben dieses eine Erlebnis gehabt, da sind sie echt, aber wenn man deren gepredigte Lehren auf die Waagschale der Substanz legt, dann erkennt man Glaube und nicht Wissen.» Erleuchtung allein führe nicht zur Brillanz, betont Pöhm. Oft würden von selbst ernannten Erleuchteten «Unfug» gelehrt, unanwendbare oder nebulöse Anweisungen verbreitet und Übungen gemacht, die nur Scheinerfolg bringen. Hinzu komme, dass bei den Anhängern von Erleuchteten, die sich prominent in der Öffentlichkeit zeigen, eine Überhöhung stattfinde. «Sie glauben, dass der Guru ein Sprachrohr Gottes ist. Diese Unfehlbarkeitsprojektion der Sucher fühlt sich für den Erleuchteten sagenhaft gut an.» Was sein Ego stärke – nicht gerade ein Zeichen der Erleuchtung. Ausserdem gebe es viele Menschen, die zwar in einem Moment Erleuchtung erleben, dann aber wieder in ihr altes, spaltendes Bewusstsein des Fremdwahrnehmungs-Ichs zurückfallen. «Problematisch wird es, wenn Erleuchtete das Lehren begonnen haben und mittendrin ihren Erleuchtungszustand verlieren. Die meisten halten ihre Schüler darüber im Unklaren und spielen weiter den Erleuchteten», schreibt Pöhm.

Hans-Walter Hoppensack kennt das: «Eine Erleuchtung birgt die Gefahr, grössenwahnsinnig zu werden und abzuheben. Dann wird es zu einer Ego-Geschichte, die nichts mehr mit dem Wesen der Erleuchtung zu tun hat», sagt er. «Echte Erleuchtete umgeben sich nicht mit einer Aura eines Gurus. Vielmehr zeichnen sie sich durch eine gewisse Bescheidenheit aus.» //


Buchtipps


Anssi «Vom Ego zur Erleuchtung» Kamphausen 2019, ca. Fr. 24.–


Alberto Villoldo «Das erleuchtete Gehirn: Mit Schama-nismus und Neurowissenschaft das -Geheimnis gesunder Zellen entdecken» Goldmann 2011, ca. Fr. 22.–


Ulrich Warnke «Quantenphilosophie und Interwelt: Der Zugang zur verborgenen Essenz des menschlichen Wesens» Scorpio 2013, ca. Fr. 20.–


Links


www.lassalle-haus.org

www.kadampa.ch


 

Erleuchtung aus Sicht der Religionen


■ Christentum

Im Christentum geht man laut den Schriften des numi-dischen Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354–430 n. Chr.) davon aus, dass der Mensch nur Wissen erlangen kann, weil Gott ihn erleuchtet. Ohne das Licht Gottes könne der Mensch nichts erkennen. In den katholischen Ostkirchen ist die individuelle Erleuchtung unter den orthodoxen Mönchen ein wichtiges Ziel. Im Neuen Testament werden dem Menschen mit der Erleuchtung Wahrheit, Erkenntnis und Wissen über Zukünftiges durch den Heiligen Geist eingehaucht. Zudem erinnere dieser den «erleuchteten» Menschen an alles, was Jesus gesagt und gelehrt habe. Der Zustand der Erleuchtung wird als Zustand des Eins-Seins mit Gott verstanden. Die Taufe mit dem Wasser als geistige -Geburt soll eine erstmalige kleine Erkenntnis des wahren Selbst symbolisieren.


■ Buddhismus

Im Buddhismus wird Erleuchtung als das innere Licht der Weisheit, das dauerhaft frei von allen fehlerhaften Erscheinungen ist. Das Licht hat die Aufgabe und Funktion, jedem einzelnen Lebewesen jeden Tag geistigen Frieden zu -schenken. Erleuchtung wird erlangt, indem man alle groben wie subtilen Verblendungen (negative Geisteszustände wie Wut, Eifersucht, Unwissenheit) im eigenen Geist ausmerzt. Im Mahayana Buddhismus wird die Erleuchtung zur Befreiung aller Lebewesen angestrebt, im Hinayana Buddhismus für die eigene Befreiung.


■ Hinduismus

Im hinduistischen «Jnana Yoga» steht der Begriff «Jnana» für höheres Wissen. Dieses beinhaltet die endgültige -Erkenntnis der Einheit zwischen Atman, der individuellen Seele, und Brahman, dem absoluten Bewusstsein, auch Weltseele genannt. Ziel ist die Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Im «Raja Yoga» wird die höchste Stufe «Samadhi» genannt: die völlige Ruhe des Geistes.


■ Islam

Als Vertreter der mystischen Strömung des Islams verfolgen die «Sufis» das oberste Ziel, Gott so nahe wie möglich zu kommen und dabei die eigenen Wünsche hinter sich zu lassen. Die Liebe sei es, die den Sufi zu Gott führt. Der Suchende strebt danach, bereits in diesem Leben die Wahrheit zu erfahren und nicht erst auf das Jenseits zu warten. Die Sufis versuchen, die Triebe der niederen Seele bzw. des -tyrannischen Egos so zu bekämpfen, dass sie in positive -Eigenschaften umgeformt werden. Auf diese Weise kann man einzelne Stationen durchlaufen; die höchste Stufe ist jene der «reinen Seele».

Quelle: www.deacademic.com



Kategorie: Gesundheit


Odem/ Bewusstes Atmen die beste Stressprophylaxe.


Rund 12 bis 18 Mal pro Minute holt ein erwachsener Mensch Luft; Kinder und Babys rund 50 Mal. Pro Atemzug atmen wir einen halben Liter Luft ein und aus. Das sind 6 bis 9 Liter pro Minute oder rund 10 000 Liter Luft pro Tag. Beim Einatmen füllt sich die Lunge, die Bauchdecke wölbt sich wie ein Blasebalg und wir spüren den Atem bis ins Becken. Beim Ausatmen senkt sich die Bauchdecke, der Brustkorb leert sich und die Luft strömt aus dem Menschen heraus. Wenn wir nicht beim Treppensteigen ins Keuchen geraten oder zu Beginn der Yoga-stunde einige Atemübungen machen, ist der Atem eine selbstverständliche Tatsache, die oft unbemerkt bleibt. Eigentlich schade. Denn dieses farb- und geruchlose «Nichts» ist gleichzeitig alles: unsere grundlegende Verbindung zum Leben, zur Spiritualität und zur Gegenwart.


Der Atem lässt sich im Winter besonders gut beobachten: Der Hauch der Atemluft zeigt sich als Nebel vor dem Gesicht, sobald wir aus dem Haus treten. Das geschieht aus zwei Gründen: Zum einen weil sich die eingeatmete Luft in den Lungen auf Körpertemperatur aufwärmt; zum anderen weil sie sich dort mit gasförmigem Wasser anreichert. Atmen wir in der frostigen Umgebung aus, kühlt die mit Wasser angereicherte Luft ab und kondensiert je nach Luftfeuchtigkeit mehr oder weniger stark. Ab minus zehn Grad sind die kleinen Nebelschwaden vor dem Gesicht garantiert vorhanden, weil die Atemluft aufgrund des grossen Temperaturunterschiedes sehr schnell kondensiert.

Jeder Mensch atmet anders. Ausserdem spiegelt der Atem oft auch die Lebenssituation, in der sich jemand gerade befindet. Bereits kleine Spannungs- unterschiede im Körper verändern die Atmung enorm: Muskelspannungen, ausgelöst durch Angst, Aufregung oder körperliche Krankheiten, führen zu einem engeren Atemraum; Panik und Schock können gar eine Hyperventilation auslösen und zur Verkrampfung der Atmung führen. Bei Stress und Ärger werden Puls und Atmung schneller, was ebenfalls zu einer Anspannung der Atemmuskulatur führt. In Schockzuständen hingegen setzt der Atem oft aus oder er wird zumindest ungewöhnlich lange angehalten – der Atem stockt. Sind wir hingegen ruhig und friedlich, ist der Atem tief und die Muskulatur entspannt.


Wir können uns sogar gesund atmen. Denn genauso wie Spannung die Atmung beeinflusst, können wir auch umgekehrt die Atmung nutzen, um Spannungen abzubauen. Das Prinzip ist einfach: Schnelles Atmen erhöht den Herzschlag, langsames Atmen vermindert ihn. Atmen wir in Ruhe über die Nase ein, strömt die Luft mit einem gewissen Widerstand in den Körper. Das verlangsamt und verlängert die Ein-atmung und regt die Zwerchfellatmung an. Die Luft verweilt länger in den Lungen, wodurch die Durchblutung und die Belüftung der Lunge und des Herzens verbessert und die Gehirndurchblutung erhöht werden.

Das Einatmen über den Mund führt hingegen zu Verspannungen im Brustbereich und ist besonders im Winter nicht ideal, weil beim Einatmen durch den Mund viel kalte Luft ungefiltert in die unteren Atemwege der Lunge gelangen. Um Erkältungen vorzubeugen, empfiehlt es sich deshalb, bei kalten Temperaturen durch die Nase einzuatmen. Die oberen Atemwege der Nase wärmen, reinigen und befeuchten die kalte Luft. Je kälter die Luft ist, desto stärker werden die Schleimhäute durchblutet, wodurch die Luft erwärmt wird. Bis sie in den Lungen ist, hat die durch die Nase eingeatmete Luft Körpertemperatur erreicht.

Auch das Ausatmen erfolgt idealerweise durch die Nase. Bei Angst oder Stresssituationen kann es hingegen helfen, gegen den Widerstand der leicht geschlossenen Lippen auszuatmen und die Luft langsam und so lange ausströmen zu lassen, bis das Einatmen reflexartig von selbst wieder erfolgt. Dabei ist wichtig, den kurzen Moment der Stille wahrzunehmen, der entsteht, wenn das Ausatmen beendet ist und das Einatmen noch nicht begonnen hat. Nach einiger Zeit des Aus- und Einatmens entspannt sich der Körper. Die Spannung baut sich noch besser ab, wenn das Ausatmen etwas länger dauert als das Einatmen. Ausatmen ist generell wichtig in Situationen, die negativ belastet sind, etwa bei Vorwürfen oder Streitereien. Hier schafft das Ausatmen eine gesunde Distanz zur Situation.


Sobald wir den Atem nutzen, um im Körper eine bestimmte Wirkung zu erzielen, beginnt der Wechsel von der natürlichen Atmung hin zur bewussten Atmung, die in vielen Meditationspraktiken angewendet wird. Der Grund: Wir können nicht gleichzeitig denken und bewusst atmen. Wenn wir bewusst atmen, ruht der Geist auf dem Vorgang des Ein- und Ausatmens. Deshalb macht das bewusste Atmen den Geist ruhiger und wir schaffen es so zuweilen gar, den Gedankenfluss für eine Weile zu unterbrechen. Der Moment des Atembeobachtens beziehungsweise des Nicht-Denkens hält bei Ungeübten oft nur einige Sekunden an; dann schwirrt schon der nächste Gedanke durch den Kopf. Das ist vollkommen normal. Beobachten wir aber unseren Atem, kann man sich selber immer wieder rasch ins Hier und Jetzt zurückholen.

In manchen Traditionen repräsentiert das Ein-atmen die Zukunft, während das Ausatmen für die Vergangenheit steht. Dazwischen ist die Stille. Das Nichts. Absolute Ruhe und Gegenwärtigkeit. Das Jetzt. Auch das bewusste Verlangsamen oder Anhalten der Atmung wird in vielen Meditationslehren praktiziert, um tiefe geistige Stille zu erreichen. In einer alten Sufi-Weisheit heisst es: «Wenn es uns gelingt, Atem und Bewusstsein zu verbinden, sind wir mit der Lebensenergie verbunden. Der Atem ist der Atem der Gnade Gottes, und dieser Atem ist es, der die Seele zum Leben erweckt. Solange die Seele nicht von Bewusstsein belebt ist, gleicht sie dem Vogel, der noch nicht flügge ist.» //


Buchtipps


Richard Brennan «Besser atmen», riva 2017, ca. Fr. 25.–

Ursula Eder, Franz J. Sperlich «Das Parasympathikus Prinzip. Wie wir mit wenigen Atemzügen unseren inneren Arzt fit machen», GU 2019, ca. Fr. 29.–


 












Sabine Hurni ist dipl. Drogistin HF und Naturheil-prak-tikerin, betreibt eine eigene Gesundheitspraxis, schreibt als freie Autorin für «natürlich», gibt Lu-Jong-Kurse und setzt sich kritisch mit Alltagsthemen, Schulmedizin, Pharma-industrie und Functional Food auseinander.

Fotos: sebastiano bucca | unsplash.com/nine kopfer

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