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Weniger Licht im Winter schlägt auf unser Gemüt. Vieles kann helfen: Ob Lichttherapie, Johanniskrauttee, Sport oder gemütliches Kuscheln. Probieren geht über Studieren.




Diese Zeit des Jahres liegt mir wie ein Mühlstein auf der Seele. Meine Nerven versagen, meine Zähne schmerzen und mein Mut fällt in die bodenlose Tiefe der Unendlichkeit.» Der US-Amerikanische Chronist Henry Adams schrieb dies im Jahr 1869. War er Opfer einer Winterdepression? Dass unsere Stimmung und unsere Energie von der Jahreszeit, je nach Individuum sicher unterschiedlich stark, beeinflusst wird, weiss jedes Kind. Man redet von der Frühjahrsmüdigkeit, dem euphorischen Sommerhoch, und dem Winterblues. Hierbei klagen die Betroffenen über eine ausgeprägte Verstimmung mit Antriebslosigkeit und vermehrter Müdigkeit.


Zwei Seelen in der Brust

Rund 10 Prozent der Menschen in unserem Kulturkreis sind vom Winterblues betroffen. Eine regelrechte Depression – als «saisonal abhängige Depression» (SAD) bezeichnet – tritt, je nach Studie, bei 2,5 bis 6 Prozent der Bevölkerung auf. Eine SAD wird diagnostiziert, wenn typische Symptome regelmässig im Winter und mindestens zwei Jahre hintereinander auftreten. Von einer SAD Betroffene berichten von einer bedrückten Stimmung, Antriebs- und Lustlosigkeit, Desinteresse, Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit, Zukunftsängsten, Minderwertigkeitsgefühlen oder gar einer sozialen Dissoziation. Dazu können Schlafstörungen, ein gesteigertes Schlafbedürfnis oder Schwindel sowie Kopf- und Rückenschmerzen auftreten. Da oft der Appetit auf kohlenhydratreiche Lebensmittel zunimmt, nehmen viele auch an Gewicht zu. Im Frühling ist der Spuk dann meist vorbei. Eine Betroffene berichtet, sie habe das Gefühl, buchstäblich «zwei Seelen in ihrer Brust» zu haben – im Sommer eine fröhliche, im Winter eine traurige. Oft wir diese Winterdepression nicht erkannt, obwohl es eine ernst zu nehmende Erkrankung ist. Auch Kinder und Jugendliche können betroffen sein. Offenbar werden die auftretenden Symptome von unserer Gesellschaft in gewisser Weise als normale Begleiterscheinung der dunklen Jahreszeit bewertet.



Schlafstöruungen oder ein gesteigertes Schlafbedürfnis gehören zu den Symptomen der Winterdepression.


Allerdings sollte man grundsätzlich Diagnosen kritisch betrachten. Bei einem Verdacht auf SAD kann nämlich auch eine andere Erkrankung vorliegen. Eine gründliche ärztliche Untersuchung, etwa der Schilddrüse, auf Unterzuckerung oder auf eine Vireninfektion ist ratsam. Allerdings spricht ein wiederholtes Auftreten vieler Symptome im Winter mit einem Abklingen im Frühjahr stark für eine saisonal abhängige Depression.


Schokolade hat nicht umsonst einen Ruf als Glücksbringer.


Mehr Licht!

Nach der Ursache für eine Feinfühligkeit muss man nicht lange suchen: Es ist das fehlende Licht im Winter. Das wusste übrigens schon Hippokrates, der einst schrieb, dass man als erstes die Jahreszeiten erforschen müsse. Die dunkle Jahreszeit mit den kurzen Tagen – im Dezember sind die Tage gegenüber dem Juni um rund 8 Stunden kürzer – sorgt dafür, dass unser Körper auch am Tag mehr Melatonin ausschüttet. Melatonin ist ein Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers beeinflusst. Und es steht im Zusammenhang mit dem Botenstoff Serotonin, der bei der Entstehung einer Depression eine zentrale Rolle spielt.


Warum jedoch manche Menschen im Winter an einer Depression erkranken, andere «nur» einen milderen Blues spüren, hat noch andere Gründe. Man nimmt an, dass Anomalien in der Ausschüttung bestimmter Hormone oder eines Systems chemischer Botenstoffe an der Entstehung einer SAD beteiligt sind. Möglich ist zudem, dass die Augen von SAD-Patient*innen auf Licht anders reagieren als bei Nichtbetroffenen.


Licht erhellt das Gemüt

Lichttherapie wird heute oft bei Winterdepression oder Winterblues angewendet. Diverse Studien zeigen, dass Lichttherapie bereits nach zwei bis acht Wochen die Symptomatik einer Depression stärker verbesserte als Placebo. Zwischen 60 bis 80 Prozent aller SAD-Patient*innen profitierten von der Lichttherapie. Zudem traten bei der Lichttherapie im Vergleich zum Antidepressivum Fluoxetin weniger Nebenwirkungen auf. Licht wird auch bei der Behandlung von anderen Formen der Depression und von Schlafstörungen oder anderer Erkrankungen wie etwa Alzheimer, eingesetzt. Lichtlampen können auch einfach und zeitlich flexibel zu Hause angewendet werden. Bei der Behandlung wird das Licht durch die Augen aufgenommen. Die Therapielampen sind ohne UV-Licht konstruiert, um Augenschäden zu verhindern. Neben Antidepressiva und Lichttherapie wird oft auch eine kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Dass übrigens eine Vitamin-D-Kur nützt, ist unter Medizinern umstritten, da Studien dazu bei einer Winterdepression fehlen.


Glücksbringer Essen

Eine ausgewogene Ernährung hat ebenso einen grossen Einfluss auf unser Gemüt. Essen macht glücklich, man denke nur an Kakao! Die Qualität der Nahrungsmittel und ein wirkliches Genusserleben spielen jedoch ebenso eine Rolle.


Natürlich wäre es praktisch, wir könnten den Glücksstoff Serotonin einfach essen. Diskutiert wird, die Vorstufe davon, die Aminosäure Tryptophan, mit der Nahrung aufzunehmen. Für dessen Transport und Aufnahme im Gehirn sind auch Kohlenhydrate wichtig. Geraten wird darum, Fisch, Milch- und Sojaprodukte sowie Nüsse, Samen, Trockenfrüchte, dunkle Schokolade und Vollkornprodukte zu essen. Nüsse wie Cashewkerne, Mandeln, Para- und Erdnüsse beispielsweise, enthalten zudem viel Magnesium, das als «Mineral der inneren Ruhe» bezeichnet wird. Auch scharfe Gewürze wie Chili sollen die Stimmung heben, denn die Schärfe wird von unserem Gehirn als Schmerz wahrgenommen, wir schütten Endorphine aus, was uns euphorischer macht.


Sein Leben unter die Lupe nehmen

Jedoch, wie so oft, sind die Zusammenhänge auch hier komplexer. «Die Rolle der Ernährung spielt eine Rolle beim Winterblues und auch bei einer Depression. Heilmittel aus der Natur sowie die Lichttherapie können Linderung verschaffen. Jedoch rate ich, sich auch mit seinem Leben als Ganzes auseinanderzusetzen», sagt Patrizia Aeberhard, Naturheilpraktikerin mit Eidg. Diplom in TEN in Bad Zurzach. «Ich schaue mit den Betroffenen alle Bausteine an: Wie steht es mit der Bewegung, der Entspannung? Wie ernährt sich die Person, kocht sie zum Beispiel stets selbst? Wie wertschätzt sie sich und ihren Körper? Wieviel Eigenverantwortung und Initiative ist da?» Wer wiederholt einen Winterblues erlebe oder seine Neigung zu einer saisonalen Depression kenne, solle bereits im Herbst anfangen Dinge umzusetzen, so Aeberhard.


Sie empfiehlt eine ausgewogene Ernährung, die in Form einer gesunden Mischkost viel regionales Gemüse, jedoch weniger Früchte (wegen des Fruchtzuckers) und vor allem, täglich genug pflanzlich oder tierisches Eiweiss enthält. Ratsam sind drei Mahlzeiten am Tag, die man selbst kocht. Ausserdem sollte man auf Zwischenmahlzeiten verzichten, da diese das Verdauungssystem ständig fordern. «Alle Massnahmen sollten zum eigenen Lebensstil passen, sonst funktioniert es nicht. Viele kleine Schritte führen zum Erfolg. Dazu gehört auch: regelmässig raus in die Natur mit ausreichend moderater Bewegung oder Sport. Sich selbst wertschätzen. Für sich gut sorgen. Schliesslich kann die eigene Einstellung zum Winter viel bewirken.» Eine Fachperson kann sehr unterstützen, jedoch ist gemäss Aeberhard die Eigenverantwortung ein Schlüssel. «Keine Ärztin, kein Therapeut, kein Medikament kann mir meine eigene Verantwortung abnehmen. Wenn ich es schaffe, auch in der lichtarmen Zeit die Schönheiten zu erkennen, so fällt mir das Leben leichter.»


Stoffe für die Seele

Bei depressiven Verstimmungen ist Johanniskraut ein Klassiker. Man kann sich einen Johanniskrauttee selbst ansetzen und einige Tassen davon täglich trinken. Da die Wirkung erst nach etwa drei Wochen eintritt, sollte man die Teekur bereits im Oktober beginnen. Tabletten oder Frischsaft ist ebenso ideal, jedoch kann der heisse Tee als entspannendes Ritual schon für gute Stimmung sorgen. Auch die Auswahl an Naturheilmitteln gegen die trübe Stimmung ist gross. Hier ist der Rat einer Fachperson angebracht – und dann heisst es, selbst ausprobieren, was hilft. Präparate wie Orthomolekulare Vitalstoffmischungen mit Safran und Melisse bis zur Homöopathie sind empfehlenswert. Heilpraktiker*innen geben gerne auch individuell abgestimmte Mischungen mit Spagyrik, Bachblüten, Tinkturen und Tees. Aromatherapie mit feinen Ölen sowie der Einsatz von hellen Farben im Wohnraum sind weitere Tipps, die helfen, dass wir uns wohler im Alltag fühlen.


 



Treiben Sie Sport oder kuscheln Sie!

Sportliche Aktivität ist ebenso hilfreich, sei es beim Winterblues oder bei einer SAD. Bewegung in der Natur bewirkt, dass unser Körper wichtige Botenstoffe und Hormone ausschüttet wie Serotonin, Dopamin und Adrenalin. Die Waldluft (Terpene) hält uns gesund wie Studien zeigen. Ebenso sind Freunde und Familie wichtig, dazu Freude und Spass erleben, sind wahre Gesundbrunnen.

Das Gefühl von Verbundenheit fördert unser Wohlbefinden, wir fühlen uns glücklich. Dazu gehört auch Körperkontakt, den wir beim Kuscheln, beim Sex oder auch einer wohltuenden Massage erfahren. Liebevolle Berührungen sind Balsam für Körper, Geist und Seele: Sanftes Streicheln, Umarmen und die Wärme des anderen entspannt, reguliert Emotionen und stärkt das Immunsystem. Das Bindungshormon Oxytocin sorgt für Wohlbefinden: es wirkt antidepressiv, verringert Angst und Schmerzempfinden, fördert Vertrauen, dazu gesunden wir schneller. Das sind doch gute Neuigkeiten. Also – ran ans Kuscheln!

Aktualisiert: 3. Sept. 2021

Kategorie: Gesundheit


Nicht nur die Veranlagung ist verantwortlich – auch Stress, Mobbing oder -Schicksalsschläge können eine Depression auslösen. Sie zählt zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere vielfach unterschätzten Erkrankungen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Junge öfters als Alte. Aber: Zur Behandlung braucht es längst nicht immer Medikamente.



«In meinem Leben gab es immer wieder längere Phasen, in denen mir alles sehr schwer fiel. Ich fühlte mich dann energielos und innerlich leer», erzählt Melanie Gerber (Name geändert). «Das Vorbereiten der Lektionen kostete mich jeweils viel Kraft. Meine Gedanken schweiften immer wieder ab, ich konnte mich nur schwer konzentrieren. Für die alltäglichen Arbeiten im Haushalt fehlt mir oft die Kraft.»


«Beim Gedanken, bald wieder vor einer Klasse stehen zu müssen, bekam ich Angstzustände

Die 48-jährige geschiedene Lehrerin hat oft nur das Allernötigste erledigt – und dabei ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie mehr von sich erwartete. Vor einem Jahr, gegen Ende der Schulferien, verschlimmerte sich ihr Zustand. «Ich fühlte mich überhaupt nicht erholt. Beim Gedanken, bald wieder vor einer Klasse stehen zu müssen, bekam ich Angstzustände. Nachts lag ich stundenlang wach und konnte an nichts anderes als an die Erwartungen der Eltern und der Schüler denken.» Nach einigem Zögern suchte sie den Hausarzt auf. Dieser schrieb Gerber krank und überwies sie zur Behandlung in eine psychiatrische Tagesklinik. Mittlerweile hat sie, vorerst in einem beschränkten Pensum, ihre Arbeit wieder aufgenommen.


Ein Teufelskreis

Eines der typischen Anzeichen für eine Depression ist die Furcht, die Anforderungen des Alltags kaum mehr bewältigen zu können. Selbst einfache Tätigkeiten erfordern grosse Überwindung und strengen enorm an. Die psychische Störung verringert zudem den Antrieb sowie die Merk- und Konzentrationsfähigkeit. Dies reduziert das ohnehin geschwächte Selbstvertrauen zusätzlich. Mit dem Tief verbundene Versagensängste und Schuldgefühle untergraben es weiter. Anhaltende Niedergeschlagenheit ist also ein destruktiver psychischer Prozess, der sich selber am Laufen hält. Es ist nicht leicht, die Mechanismen einer Depression aus eigener Kraft zu überwinden.

Da eine depressive Verstimmung nicht mit einer Röntgenaufnahme oder einer Laboruntersuchung nachweisbar ist, ist die Grenzziehung zwischen einer normalen Trauerreaktion und einer behandlungsbedürftigen Störung nicht einfach zu ziehen. Zudem treten die Beschwerden individuell unterschiedlich auf. Nicht immer ist eine anhaltend gedrückte Stimmung krankheitsbedingt; sie kann in bestimmten Lebenslagen auch eine ganz normale Reaktion sein.


 


Mittelmeerkost kann Depressionen -lindern

Eine mediterrane Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Nüssen, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten zusammen mit Fischöl-Kapseln kann das psychische Wohlbefinden deutlich verbessern. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher von der Universität Südaustralien in Adelaide. Bei ihren Probanden hatten Angst, Stress und negative Emotionen sowohl nach drei als auch nach sechs Monaten deutlich abgenommen. Gleichzeitig hatte sich die Lebensqualität der Teilnehmer spürbar verbessert. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe waren die Depressionswerte um 45 Prozent gesunken. Die Forscher vermuten, dass soziale Kontakte – etwa gemeinsam kochen und essen – die positiven psychischen Effekte der gesunden Ernährung noch verstärken. MM

 


Sich wichtig nehmen

Während einer Depression oder einer schwierigen Lebensphase verzerrt sich die Sicht auf die Wirklichkeit. Pessimismus, Schuldgefühle und Selbstkritik dominieren. Die entsprechenden Denkmuster wirken zermürbend. Auf folgende Weise können Betroffene deren destruktive Wirkung dämpfen:

● Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Gedankenfluss. Unterbrechen Sie ihn, wenn er eine negative -Wendung nimmt, indem Sie sich auf Ihren Atem konzentrieren. Wenn Sie achtsam sind, merken Sie schnell, wenn Ihre Gedanken abschweifen. Das ist völlig in Ordnung und ganz normal. Konzentrieren Sie sich dann einfach wieder auf Ihren Atem.

● Halten Sie tagsüber mehrmals inne. Wie fühlen Sie sich gerade in diesem Moment? Diese Achtsamkeit sich selbst gegenüber bringt Sie näher zu ihren eigentlichen Bedürfnissen. Das hilft, Distanz zu den Ansprüchen anderer zu gewinnen.

● Notieren Sie jeden Abend vor dem Schlafengehen drei Erlebnisse, die für Sie tagsüber erfreulich waren. Dies kann ein stimmungsvoller Sonnenuntergang, ein freundlicher Zugbegleiter, ein Lied im Radio usw. sein.

● Schreiben Sie sich selber täglich ein aufmunterndes SMS oder eine liebevolle E-Mail.


Eine gedrückte Stimmung, fehlende Unternehmungslust, Schlafstörungen sowie das Bedürfnis nach Rückzug als Folge des Verlustes eines nahestehenden Menschen, eines Haustiers oder einer Arbeitsstelle ist nichts Ungewöhnliches. Im Gegenteil! In der Regel regelt sich die Gemütsverfassung nach einigen Wochen von selber wieder und die körperlichen Beschwerden lassen nach.

Im Gegensatz dazu halten Niedergeschlagenheit und andere Beschwerden bei einer Depression über längere Zeit an. Diese kann durch äussere Gründe ausgelöst werden, aber auch ohne erkennbaren Anlass auftreten. Die tieferen Ursachen sind vielfältig: Tageslichtdefizite im Winter sind ebenso mögliche Auslöser wie chronische Überforderung am Arbeitsplatz oder eine Sinnkrise nach der Pensionierung, um nur einige Beispiele zu nennen.


Verkaufsschlager Antidepressiva

Ab den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts erschienen immer neue Generationen von Medikamenten gegen Depressionen. Durch ihre Wirkung werden im Gehirn verschiedene Botenstoffe intensiver ausgeschüttet. In den letzten Jahren haben die Verschreibungen von Antidepressiva kontinuierlich zugenommen. Laut Statistik werden in der Schweiz jährlich zwischen 3,5 und 4 Millionen Packungen abgegeben. Damit ist die Einnahme innert zehn Jahren um rund eine Million Packungen gestiegen.

Die entsprechenden Medikamente werden vermehrt auch von Hausärzten verschrieben. Dies hat Kritiker auf den Plan gerufen. In einem Interview forderte kürzlich etwa der renommierte Zürcher Psychiatrieprofessor Daniel Hell, dass Langzeitbehandlungen mit Antidepressiva Psychiatern vorbehalten sein sollten. Noch immer sei die irrtümliche Annahme verbreitet, diese Medikamente würden die Ursachen einer Depression bekämpfen. «Tatsächlich aber lindern sie nur die Symptome.»

Für eine wirkungsvolle Behandlung sind regelmässige therapeutische Gespräche, ein Verhaltenstraining sowie das Forschen nach den Krankheitsauslösern entscheidend. Die Ursache für die Verstimmung liegt oft in den Lebensumständen der Patienten – und gegen diese wirken die Medikamente nun mal nicht.

Bei Depressionen ist das Wiederauftreten einer erneuten Krankheitsepisode relativ hoch: Sie liegt bei rund 80 Prozent. Inwieweit Antidepressiva Rückfälle verhindern können, ist in der Fachwelt sehr umstritten. Sicher ist: Mit jeder weiteren Phase steigt das Risiko neuerlicher Ausbrüche. Nach drei depressiven Episoden liegt das Risiko weiterer Störungen schon bei 90 Prozent!


Das Gedankenkarussell stoppen

Forschende haben nach Möglichkeiten gesucht, wie psychische Tiefs ohne chemische Präparate zu überwinden sind. Wie eine Auswertung verschiedener Studien ergab, wirkt moderat ausgeübter Sport ähnlich wirksam wie entsprechende Medikamente. Das Handicap ist dabei, dass Betroffene in einer depressiven Akutphase kaum genügend Antrieb für regelmässige Walkingrunden oder für Besuche von Schwimmbädern aufbringen. Nach dem Nachlassen der Symptome kann jedoch körperliche Betätigung die Genesung beschleunigen und Rückfällen entgegenwirken.

Wie die Forschung gezeigt hat, neigen zu Depressionen veranlagte Menschen zu negativen Denkmustern. Sie grübeln stundenlang über Nebensächlichkeiten oder längst zurückliegende Ereignisse. Auf diese Weise setzt eine fatale Abwärtsspirale ein, die Stimmung sinkt immer weiter. Wie die neuere Hirnforschung ergeben hat, verfestigen sich mit jeder weiteren depressiven Phase destruktive Muster in den Mikrostrukturen des Gehirns. Geringfügige Ereignisse im Alltag können sie aktivieren und eine Negativspirale auslösen. Um die Neigung zu depressiven Episoden zu verringern, müssen diese Automatismen im Denken gewandelt werden. In der Folge verändern sich auch die neuronalen Verbindungen im Gehirn. Trainingsprogramme wie MBCT (Mindfulness-Based Cognitive Therapy, zu Deutsch: Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie) helfen, diese -destruktiven Denkmuster bewusst wahr-zunehmen und inneren Abstand zu ihnen zu gewinnen.

In Grossbritannien werden Antidepressiva mittlerweile hauptsächlich bei sehr ausgeprägten Krankheitsverläufen eingesetzt. Bei leichten und mittleren Depressionen übernehmen seit 2007 staatlich ausgebildete psychologische Gesundheitstherapeuten die Betreuung. Sie arbeiten mit computergestützter Verhaltenstherapie, mit angeleiteter Selbsthilfe und mit Bewegungsprogrammen. Wenn sich der Zustand nicht in angemessener Zeit verbessert, werden die Erkrankten kognitiven Verhaltenstherapeuten zugewiesen, die auch bei schwierigen Verläufen Erfolge erzielen können. Ein Erfolgsmodell, auch für die Schweiz? //











Buchtipps:


Patrizia Collard «Achtsamkeitsbasierte -Kognitive Therapie für -Dummies», Wiley-VCH 2014, ca. Fr. 28.–

Mark Williams, - Jon Kabat-Zinn u.a. «Der achtsame Weg durch die Depression», Arbor 2009, ca. Fr. 50.–

Diana Hochgräfe «Aus der Dunkelheit ins Licht. Mein Weg aus den -Depressionen», Tredition 2018, ca. Fr. 38.


Links

Vermittlung von Adressen von MBCT-Trainerinnen und –Trainern sowie von Kurs-angeboten: www.mbsr-verband.de

Unabhängige Beratung zu Fragen um psychische -Leiden: www.promentesana.ch





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