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In einem Buch mit Weisheitsgeschichten aus Ost und West entdeckte ich kürzlich eine schöne Geschichte. Der Meister fragte einen Mann, ob er wisse, wie man Geschirr wasche. Dieser beteuerte, dass er dies sehr wohl wisse, er habe sein Leben lang nichts anderes gemacht. Worauf der Meister erklärte, dass es zwei Möglichkeiten gebe, Geschirr zu spülen: Die eine, es zu waschen, um es sauber zu machen; die andere, es zu waschen, um es zu waschen.




Unser Berufsleben ist darauf ausgerichtet, Ziele zu erreichen. Wir sollen erfolgreich und leistungsorientiert sein. Dabei geht jedoch oft vergessen, dass wir leben sollten, um zu leben, statt leben, um Besitz anzuhäufen. Es fällt uns schwer, ziellos zu sein und etwas zu tun, das nicht an ein Resultat gebunden ist. Davon können Frischpensionierte ein Lied singen. Plötzlich ist da Zeit zum Sein, doch der Kopf ist immer noch aufs Machen und Haben ausgerichtet. Ganz anders die Kinder. Sie verlieren sich im Spiel, sie vergessen die Zeit, sie machen sich keine Gedanken über ihre Kleidung und kümmern sich einen Hehl darum, was andere von ihnen denken. Kinder können es noch; sie verweilen im Sein.


Sein, das Seiende. Der Begriff kommt vom Verb sein. In der Definition von sein heisst es, dass das Verb einen, ihm zugrunde gelegten Seinsbegriff erfordert. Müde sein, lustig sein, stark sein. Oder auch Mensch sein, Weise sein, Bewusst sein. Daraus ergibt sich der philosophische Gedanke, dass das Sein ein Merkmal ist, das allem Seienden nach Abzug der jeweils individuellen Eigenschaften noch gemeinsam ist. Weisheit ist ein Seinszustand, lehrt auch der Mystiker Meister Eckhart. Ein Zustand, den man nicht durch Ansammlung von Erkenntnissen erlangen kann. Weisheit ist nicht zu haben, zu besitzen oder zu machen. Man kann nur weise sein, wofür es keinerlei intellektuellen Fähigkeiten braucht. Weisheit ist, laut Meister Eckhart, die wesensmässige Entwicklung des Menschen vom Haben, das Nichts ist, zum Sein, das Alles ist.


Vermutlich kennen Sie den berühmten Satz aus dem Stück Hamlet von William Shakespeare: «Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage». Der Protagonist Hamlet stellt sich existenzielle Fragen. Es geht um Leben und Tod. Derart dramatisch geht es im Alltag nicht zu und her. Und doch: Ist das Leben nicht oft ein Seiltanz zwischen dem Zustand des Seins und jenem des Nichtseins? Zwischen Ruhe und Stress, Stille und Lärm, Spiel und Arbeit? Der Zustand des Seins ist nur deshalb so beglückend, weil wir immer wieder ins Nichtsein kippen. Weil wir uns im Leben ständig vom Ungleichgewicht zum Gleichgewicht bewegen und uns ohne diesen ständigen Wechsel nicht fortbewegen würden.


Eine gute Methode, um in den Zustand des Seins zu kommen, ist die Meditation. Sobald wir das Tun, das Machen, das Handeln und das Denken hinter uns lassen, kommen wir zur Ruhe. Ins Sein im Hier und Jetzt, ins Atmen, ins Sitzen, ins Liegen. In die Gelassenheit und das Verweilen in der Stille. In der Achtsamkeitsmeditation geschieht dies über die Atmung, die Verbindung zum Körper und das Ruhigwerden des Geistes. Wir nehmen jegliche Aktivität aus dem System raus, befinden uns im natürlichen Atem, kontrollieren nicht, steuern nicht, lassen los was vergangen ist und vergessen was in der Zukunft zu tun ist. Sein ist der Zustand, in dem sich die Atmung und der Herzschlag verlangsamen.


Man muss nicht stundenlang meditieren, um im Alltag in den Zustand des Seins zu kommen. Auch ein Durchatmen beim Anstehen an der Warenhauskasse, ein Verweilen auf dem Gipfel eines Berges und der genussvolle Biss in eine saftige Wassermelone können Momente des Verweilens im Sein sein. Momente, die leicht, unbeschwert und frei sind. Momente, in denen alles was war und alles was kommen wird keine Rolle spielen. Momente des Seins erleben wir oft als Glücksmomente. Sie sind jedoch nicht dem Zufall überlassen. Wir haben es jederzeit selbst in der Hand, in den Zustand des Seins zu kommen:


1. Durch bewusstes Atmen: Setzen Sie sich hin, die Füsse auf dem Boden, und konzentrieren Sie sich nur auf den Atem und auf Ihre Fusssohlen. Atmen Sie aus und atmen Sie erst wieder ein, wenn ein Impuls des Körpers Sie zum Einatmen auffordert. Machen Sie das einmal täglich mit drei Atemzügen.


2. Durch Da-sein: Was gibt es Schöneres, als wenn ein Mensch für einen anderen da ist. Ein Freund oder eine Freundin, welche*r nichts will, nichts fordert, nichts beanstandet, sondern mit seiner*ihrer Präsenz ganz da ist? Versuchen Sie immer wieder, dieser Mensch zu sein, der für andere da ist. Umarmen Sie ihren Partner oder ihre Partnerin und sagen sie sich innerlich: «Ich bin da.» Atmen Sie.


3. Mit einer Klangreise: Musik dient häufig der Berieselung. Sie läuft im Hintergrund und begleitet uns durch den Tag. Nehmen Sie sich mal wieder die Zeit, sich hinzulegen und sich vollkommen einem Musikstück zu widmen, indem Sie nichts anderes tun als zuhören.


4. Beim Spielen: Der Name sagt es – mit Instrumenten lässt sich spielen. Setzen Sie sich ziellos an Ihr Instrument. Lassen Sie es erklingen, bringen Sie es zum Vibrieren. Lassen Sie die Noten beiseite. Gehen Sie mit dem Klang.


5. Beim Malen: Sie können nicht malen? Perfekt! Geben Sie einen drauf und nehmen Sie die Kreide, den Pinsel oder den Bleistift in die schwächere Hand. Malen Sie mit links. Es fühlt sich ungeschickt, ineffizient und nicht zielführend an. Doch es hilft, zu malen, um zu malen und nicht zu malen, um etwas darzustellen.


Keine Zeit eignet sich besser, um die Leichtigkeit des Seins auszukosten als der Sommer. Legen Sie sich in den Garten, auf die Wiese, in den Sand, auf einen Baumstamm und schauen Sie in den Himmel, in die Baumkronen oder lauschen Sie mit geschlossenen Augen in die Geräuschkulisse hinein. Alles andere kann warten.




Sabine Hurni arbeitet als Naturheilpraktikerin und Lebensberaterin in Baden, wo sie auch Ayurveda Kochkurse, Lu Jong- und Meditationskurse anbietet.

Kategorie: Gesundheit


Im Vokabular der Spiritualität nimmt der Begriff Erleuchtung einen prominenten Platz ein. Er steht für das Überwinden des Egos und eine Verschmelzung mit dem Göttlichen. Oft sind wir der Erleuchtung näher, als wir denken.




Kein Blitz. Kein helles Licht. Keine göttliche Erscheinung. Viele Menschen haben laut Hans-Walter Hoppensack, ehemaliger reformierter Pfarrer in Mollis (GL) und Zen-Lehrer am Lassalle-Haus in Edlibach (ZG), falsche Vorstellungen von der Erleuchtung. «Sie glauben, dass man wie aus dem heiteren Himmel erleuchtet wird und danach allwissend ist.» Doch dem sei nicht so. Vielmehr zeige sich die Erleuchtung als ein längerer Prozess mit diversen Erleuchtungserfahrungen im Leben eines Menschen – ein Prozess, der sich nur bedingt steuern lässt.

Bei Hans-Walter Hoppensack passierte es während einer Zen-Meditation. «Plötzlich erkennt man die Dinge, die uns umgeben und prägen, von einer anderen Seite. Mir wurde bewusst, wie alles zusammengehört, alles eins ist und aus der gleichen Quelle stammt. Das Eine begegnet sich selbst im Andern.» Der 63-jährige Schüler des Jesuiten und Zen-Meisters Niklaus Brantschen vom Lassalle-Haus interessierte sich schon seit Jahren für die mystische Gotteserfahrung. Weil die evangelisch-reformierte Kirche dazu keine Antworten geben konnte, entschied er sich, den Weg des Zen zu gehen und diesen zusammen mit dem christlichen Glauben zu leben.

Seit etwas mehr als 15 Jahren praktiziert Kelsang Chogdrub den buddhistischen Glauben. Seit zehn Jahren wirkt er als buddhistischer Mönch. Zuerst in Holland, wo der heute 38-Jährige aufgewachsen ist. Seit eineinhalb Jahren lebt er in der Schweiz und lehrt am Kadampa Meditationszentrum in Zürich. Im traditionellen orangen Gewand gekleidet, empfängt er uns im Meditationszentrum und führt uns in den grosszügigen Gebetsraum, wo täglich meditiert und gebetet wird; auch Vorträge über den Buddhismus und die Erleuchtung werden hier gehalten. Auch Kelsang Chogdrub versteht diese als Prozess: als Entwicklung, die man als Mensch Schritt für Schritt geht – wie bei einer Bergwanderung, wo der Gipfel zunächst vielleicht noch unerreichbar weit entfernt scheint, mit jedem Schritt aber näher und näher kommt. «Ist man auf dem Weg zur Erleuchtung», sagt er, «fühlt es sich an wie eine Befreiung von inneren Zwängen, negativen Gedanken und Gefühlen.»


Pilgerfahrt des Ego-Bewusstseins

Es gibt verschiedene Definitionen und Erklärungsmodelle rund um das Phänomen der Erleuchtung. Die einen sehen darin einen Zustand der Seele, die mit der Erleuchtung nicht mehr von anderen Lebewesen wie auch vom Universum und der alles beinhaltenden Leere – dem Nirvana – als getrennt erfahren wird. Häufig wird dabei auch von der Verschmelzung mit der einen Wirklichkeit gesprochen, die keine Abgrenzung geschweige denn Isolierung mehr zulässt. Es ist ein Bewusstsein des All-Eins-Seins. Diese Erkenntnis der Einheit aller Dinge zieht sich wie ein roter Faden durch alle spirituellen und mystischen Lehren der Welt: Ein wesentliches Merkmal der Erleuchtung wird darin gesehen, dass man sich selbst in allen Dingen, und alle Dinge in sich selbst erkennt.

«Erleuchtung» kann auch verstanden werden als die Vervollkommnung des Menschen im Gottes-bewusstsein. Somit erfüllt sich die Sehnsucht und Absicht unserer Seele, zu uns selbst heimzukehren. Auf der metaphorischen Ebene kann die Erleuchtung als letzter Schritt auf einer Pilgerfahrt des Ego--Bewusstseins bezeichnet werden. Sinn ist es, jeden Moment dieser Reise bis zum letzten Augenblick zu erfahren.



Der Weg des Zen

«« Den Weg der Erleuchtung kennenlernen und meistern heisst, sein wahres Selbst kennenlernen und meistern. Sein wahres Selbst kennenlernen und meistern heisst, sich selbst vergessen. Sich selbst vergessen heisst, mit dem ganzen Universum eins sein.

Dogen Zenji, 1200–1253, einflussreicher Lehrer des Zen-Buddhismus


Der buddhistische Mönch Kelsang Chogdrub sieht in der Erleuchtung eine Art Befreiung des Menschen von seinem Leiden, das sich in Form von negativen Mustern wie Ignoranz, Egoismus, Verblendung usw. manifestiere. Für Hans-Walter Hoppensack steht «Erleuchtung» für die Erkenntnis, dass auf der Ebene des Wesens «Niemand» da ist, wo wir «Jemanden» vermuten. «Man spricht in der Mystik in diesem Zusammenhang auch vom «Ich-Tod›», ergänzt der Theologe und Zen-Meister.

Der griechische Philosoph Platon beschäftigte sich in seinem sogenannten «siebten Brief» mit dem Begriff Erleuchtung. Erleuchtung entstehe, so Platon, indem man Benennungen, Wahrnehmungen, Erklärungen und Ansichten solange aneinander «reibe», bis Einsicht über das jeweilige Thema aufleuchte. Platon hat diesem Aufleuchten einen «feurigen» Charakter attestiert, bei dem die Seele erhellt werde. Mit dieser Erklärung hat der Schüler Sokrates die religiöse Basis für die Erleuchtung geschaffen.


Den Kopf knacken

Die Hirnforschung spricht bei «Erwachten» von einem Rückfall in eine frühe Stufe kindlicher Naivität. Erwachen gilt als Vorstufe der Erleuchtung. Die grossen indischen Yogis kennen bis zu sieben Stufen, die das Bewusstsein erklimmen kann. Beim Erwachen empfindet sich der oder die Erwachte als reines «Selbst», das zwar in einem physischen Körper lebt, sich jedoch nicht mehr mit diesem identifiziert; ebenso wenig mit dem Verstand oder den Gefühlen, ja nicht einmal mehr mit seinem Namen. In der Psychiatrie nennt man dieses Phänomen Cotard-Syndrom – eine psychische Erkrankung mit schizophrenen Wahnvorstellungen und affektiven Psychosen.

Der deutsch-kanadische Erwachte Eckhart Tolle beschreibt das wache Selbst als einen «Zustand innerer Weite». Diese Weite könne entstehen, wenn Emotionen und Gedankenmaschine still werden. Dann bestehe die Chance für das Selbst, als reines Bewusstsein zu erwachen. Man sei dann ganz in der Wahrnehmung, unabhängig von Gedanken und Emotionen. Dafür mit überwältigenden Gefühlen von Liebe, Freiheit und Entspannung. «Das Ich wird als Konstrukt erkannt», erklärt Hans-Walter Hoppensack. «An und für sich gibt es nur das Eine, Unendliche, Göttliche. Und man nimmt sich selber nicht mehr so wichtig.» Der Zen-Meister gibt jedoch zu bedenken, dass sich der Charakter eines Menschen trotz Erleuchtungserfahrung nicht unbedingt verändert.


 

Anleitung zur Meditation


■ Atem begleiten (mit Zählen der Atemzüge bis 10).

■ Einfach nur still sitzen.

■ Sitzen mit dem Fokus auf der sinnlichen Wahrnehmung von dem, was jetzt ist.

■ Wahrnehmen, was ist, besonders im Moment der Atempause nach dem Ein- resp. Ausatmen.

■ Sitzen mit der Frage: «Wer bin ich in meiner -unmittelbaren Erfahrung ?»

■ Sitzen mit der Frage: «Wer bin ich ohne meine Geschichte ?»


Quelle: Lassalle-Haus



Meditation als Königsweg

Viele Wege führen zur Erleuchtung. Diesen Eindruck hat man jedenfalls angesichts der unzähligen Ratgeber und Berichte zum Thema. Doch nach der Lektüre steht man oft mit mehr offenen Fragen als Antworten da. Auch mit Schweinebraten und Bier, ja mit einem gänzlich unspirituellen Lebenswandel bestehe durchaus die Möglichkeit, erleuchtet zu werden, meint zum Beispiel Tanja Braid in ihrem Blog «Was ist Erleuchtung».

Bekannt sind indes andere Geschichten. Die Bibel etwa berichtet von 40 Tagen, die Jesus in der Wüste verbrachte. Buddha lebte sechs Jahre lang in Askese; und dann wandte er sich der Meditation zu. Der Rückzug in die Einsamkeit, die Meditation und Stille und mitunter auch die Askese – sie gelten als Königsweg zur Erleuchtung. Das kommt nicht von ungefähr: In der Stille begegnet die Seele sich selbst; losgelöst von Gedanken und Einflüssen, die von aussen auf den Menschen einwirken. «Der Erleuchtung ist es egal, wie man sie erlangt», lautet ein Buchtitel. Hans-Walter Hoppensack stimmt dem grundsätzlich zwar zu. «Doch der Weg über die Spiritualität und die Meditation scheint mir ein zuverlässiger Weg zu sein.»

Auch für Kelsang Chogdrub ist die Meditation ein zentraler Akt, um seinen Geist zu schulen. «In der Meditation wird unser Geist mit den Tugenden vertraut, die uns der Erleuchtung näherbringen.» Erleuchtung gehe einher mit der Erlangung des inneren Friedens, betont er. Und dieser wiederum könne nur erreicht werden, wenn der Mensch bereit und motiviert sei, diesen Weg auf sich zu nehmen. «Oft suchen wir die Quellen des Glücks im Aussen. Im Buddhismus sind wir überzeugt, dass wir diese Qualitäten nur in uns selbst finden», sagt der Mönch. Wichtig sei auch, nicht mit falschen Erwartungen in den spirituellen Prozess einzusteigen. Manche Menschen reagierten ungeduldig und enttäuscht, wenn sich eine Erleuchtungserfahrung nicht früh genug bemerkbar mache. Es brauche aber Geduld und Ausdauer.


Näher, als wir denken

«Mit jedem Schritt, den wir auf diesem Weg gehen, kommen wir dem Ziel näher. Doch wir müssen manchmal auch Rückschläge in Kauf nehmen», gibt Kelsang Chogdrub zu bedenken. Manche glaubten, eine Erleuchtungserfahrung sei für sie unerreichbar. «Dabei ist die Erleuchtung meist gar nicht so weit von uns entfernt, wie wir glauben. Durch das konstante Dranbleiben werden wir bei jedem Schritt aufs Neue erleuchtet. Zudem stellen wir fest, wie durch unsere Geduld und das Mitgefühl zu anderen Menschen die negativen Aspekte wie etwa Wut oder Eifersucht aus unserem Geist verschwinden.»

Alles nur ausgedacht? Matthias Pöhm, Rhetorik- und Kommunikationstrainer sowie Autor des Buches «Erleuchtet aber keine Ahnung» äussert sich kritisch – manchmal auch ziemlich populistisch und reisserisch – über Menschen, die sich öffentlich als erleuchtet bezeichnen und eine Anhängerschaft um sich bilden. «Erleuchtete haben dieses eine Erlebnis gehabt, da sind sie echt, aber wenn man deren gepredigte Lehren auf die Waagschale der Substanz legt, dann erkennt man Glaube und nicht Wissen.» Erleuchtung allein führe nicht zur Brillanz, betont Pöhm. Oft würden von selbst ernannten Erleuchteten «Unfug» gelehrt, unanwendbare oder nebulöse Anweisungen verbreitet und Übungen gemacht, die nur Scheinerfolg bringen. Hinzu komme, dass bei den Anhängern von Erleuchteten, die sich prominent in der Öffentlichkeit zeigen, eine Überhöhung stattfinde. «Sie glauben, dass der Guru ein Sprachrohr Gottes ist. Diese Unfehlbarkeitsprojektion der Sucher fühlt sich für den Erleuchteten sagenhaft gut an.» Was sein Ego stärke – nicht gerade ein Zeichen der Erleuchtung. Ausserdem gebe es viele Menschen, die zwar in einem Moment Erleuchtung erleben, dann aber wieder in ihr altes, spaltendes Bewusstsein des Fremdwahrnehmungs-Ichs zurückfallen. «Problematisch wird es, wenn Erleuchtete das Lehren begonnen haben und mittendrin ihren Erleuchtungszustand verlieren. Die meisten halten ihre Schüler darüber im Unklaren und spielen weiter den Erleuchteten», schreibt Pöhm.

Hans-Walter Hoppensack kennt das: «Eine Erleuchtung birgt die Gefahr, grössenwahnsinnig zu werden und abzuheben. Dann wird es zu einer Ego-Geschichte, die nichts mehr mit dem Wesen der Erleuchtung zu tun hat», sagt er. «Echte Erleuchtete umgeben sich nicht mit einer Aura eines Gurus. Vielmehr zeichnen sie sich durch eine gewisse Bescheidenheit aus.» //


Buchtipps


Anssi «Vom Ego zur Erleuchtung» Kamphausen 2019, ca. Fr. 24.–


Alberto Villoldo «Das erleuchtete Gehirn: Mit Schama-nismus und Neurowissenschaft das -Geheimnis gesunder Zellen entdecken» Goldmann 2011, ca. Fr. 22.–


Ulrich Warnke «Quantenphilosophie und Interwelt: Der Zugang zur verborgenen Essenz des menschlichen Wesens» Scorpio 2013, ca. Fr. 20.–


Links


www.lassalle-haus.org

www.kadampa.ch


 

Erleuchtung aus Sicht der Religionen


■ Christentum

Im Christentum geht man laut den Schriften des numi-dischen Kirchenlehrers Augustinus von Hippo (354–430 n. Chr.) davon aus, dass der Mensch nur Wissen erlangen kann, weil Gott ihn erleuchtet. Ohne das Licht Gottes könne der Mensch nichts erkennen. In den katholischen Ostkirchen ist die individuelle Erleuchtung unter den orthodoxen Mönchen ein wichtiges Ziel. Im Neuen Testament werden dem Menschen mit der Erleuchtung Wahrheit, Erkenntnis und Wissen über Zukünftiges durch den Heiligen Geist eingehaucht. Zudem erinnere dieser den «erleuchteten» Menschen an alles, was Jesus gesagt und gelehrt habe. Der Zustand der Erleuchtung wird als Zustand des Eins-Seins mit Gott verstanden. Die Taufe mit dem Wasser als geistige -Geburt soll eine erstmalige kleine Erkenntnis des wahren Selbst symbolisieren.


■ Buddhismus

Im Buddhismus wird Erleuchtung als das innere Licht der Weisheit, das dauerhaft frei von allen fehlerhaften Erscheinungen ist. Das Licht hat die Aufgabe und Funktion, jedem einzelnen Lebewesen jeden Tag geistigen Frieden zu -schenken. Erleuchtung wird erlangt, indem man alle groben wie subtilen Verblendungen (negative Geisteszustände wie Wut, Eifersucht, Unwissenheit) im eigenen Geist ausmerzt. Im Mahayana Buddhismus wird die Erleuchtung zur Befreiung aller Lebewesen angestrebt, im Hinayana Buddhismus für die eigene Befreiung.


■ Hinduismus

Im hinduistischen «Jnana Yoga» steht der Begriff «Jnana» für höheres Wissen. Dieses beinhaltet die endgültige -Erkenntnis der Einheit zwischen Atman, der individuellen Seele, und Brahman, dem absoluten Bewusstsein, auch Weltseele genannt. Ziel ist die Erlösung aus dem Kreislauf der Wiedergeburten. Im «Raja Yoga» wird die höchste Stufe «Samadhi» genannt: die völlige Ruhe des Geistes.


■ Islam

Als Vertreter der mystischen Strömung des Islams verfolgen die «Sufis» das oberste Ziel, Gott so nahe wie möglich zu kommen und dabei die eigenen Wünsche hinter sich zu lassen. Die Liebe sei es, die den Sufi zu Gott führt. Der Suchende strebt danach, bereits in diesem Leben die Wahrheit zu erfahren und nicht erst auf das Jenseits zu warten. Die Sufis versuchen, die Triebe der niederen Seele bzw. des -tyrannischen Egos so zu bekämpfen, dass sie in positive -Eigenschaften umgeformt werden. Auf diese Weise kann man einzelne Stationen durchlaufen; die höchste Stufe ist jene der «reinen Seele».

Quelle: www.deacademic.com



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