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Neunerleiholz sind Holzbündel, die neun verschiedene Hölzer enthalten. Sie dienen dem Schutz vor Krankheiten und symbolisieren die Wärme, die wir im Winter benötigen. Nicht nur im Aussen, auch im Innersten unserer Seele.




Eingehüllt in winterliche Kälte, bewegen wir uns auf das Ende des Jahres zu und dringen immer tiefer in die Dunkelheit des Dezembers. Im warmen Kerzenlicht, das die Adventszeit begleitet, hören wir tief in uns hinein und kommen zur Besinnung. Für mich ist diese Zeit des Innehaltens, eine der wichtigsten Phasen im Jahreskreis. Es geht ums Klären, Altes loslassen, Abschiednehmen und ums Abschliessen. Es ist eine Zeit, in der wir uns bereit machen, um über die Schwelle zu schreiten und die Geburt des neuen Lichtes zu feiern, das uns zur Wintersonnenwende, auch Yulfest oder Mutternacht genannt, aus der Dunkelheit erlöst.


Viele Brauchtümer dienen dazu, das Licht, die Wärme und unser inneres Kind zu nähren. Nach Samhain, dem irisch-keltische Fest am 1. November, ist in der alten Tradition nur noch das Holzsammeln erlaubt. Daher finde ich das Sammeln von Holz, insbesondere des Neunerleiholzes, ein sehr schöner Brauch. Genau wie die Holle, die Erdenmutter in der Verkörperung der alten Greisin, machen auch wir uns auf in die Wälder, um Holz zu sammeln. Die Holle benötigt das Holz um alle Seelen, die sie über den Winter hütet, mit lichtvoller Wärme zu nähren. Für unsere Ahn*innen war das Element Feuer ein lebendiges Wesen, das Nahrung und Luft zum Leben benötigt. Sie erkannten, dass je länger ein Feuer brannte, desto mehr wurde es belebt, lebendiger und kräftiger. Das Aufrechterhalten des Herdfeuers, als Sinnbild für das Licht in der Dunkelheit der winterlichen Jahreszeit war daher von grosser Bedeutung. Nichts sollte diese heilige, klärende Zeit stören oder der Wiedergeburt des neuen Weltenlichtes im Innen wie im Aussen im Weg stehen.


Neunerleiholzbündel

Das Neunerleiholz kommt in den Jahreskreisfesten in verschiedenen Variationen zum Einsatz. Stäbe aus verschiedenen Hölzern wurden in die Erde gesteckt, um Ritualplätze zu schützen. Die Neunerleibündel dienten zudem dem Schutz vor Krankheiten, als Räucherwerk, Wetter-, Liebes- und Fruchtbarkeitszauber, Talismann oder als Notfeuer, wenn das Feuer im Kamin ausging. Das Sammeln von Holz für das Neunerleibündel ist aber nicht einfach ein blosses Holzsammeln, es ist ein Wahrnehmungsritual. Es ist ein Anknüpfen an die Energie des alten, grünen Pfades unserer Ahn*innen, bei dem man mit Gesang, Räucherungen oder Gaben um Einlass in das Reich des Waldes bittet. Respektvoll, schweigend, in der eigenen Stille ruhend und dennoch präsent wird das tote Holz abseits der Wege gesammelt. Während des Winters verwendet man ausschliesslich am Boden liegendes Totholz. Es sollte nichts abgeschnitten werden. Zum Schluss wird das Holz, das aus neun verschiedenen Hölzern besteht, mit einem roten Band neunmal umwickelt, mit neun Knoten verschlossen und beliebig verziert. Ich bitte um den Segen dieser Bündel und beende das Ritual. Traditionell wird vor jedes Fenster ein Bündel angebracht. Aber auch über dem Kamin, den Türen, im Stall, oder auf dem Tisch.

Ein weiterer Name des Neunerleiholzbündels lautet Hexenschemel. Ein Hinweis auf die schützende Funktion des Bündels gegen Unholdenergien oder Energievampiere. Sogar gegen die reitenden Truden, die Nachtalpen oder den Mahrt, alles Geisterwesen, die nachts Ängste, Alpträume, Beklemmungsgefühle, Brust/Kehlendrücken und Atemnot auslösen, sollen die Bündel schützen. Und nicht nur das! Die Bündel schützen auch gegen menschlichen Neid, Missgunst und Beschreiung.



«Ein weiterer Name des Neunerleiholzbündels lautet Hexenschemel.»


Esche

Eibe

Tanne

Hasel

Eiche

Ahorn

Buche

Erle


Die Bedeutung der Zahl Neun

Spirituell steht die Neun, drei mal drei, für das Geistige, die Weisheit, die höchste Vollendung, die Vollkommenheit, das göttliche Bewusstsein und das Universum, denn die Vollendung, der Kreis mit einem Radius von 360 Grad, ergibt in seiner Quersumme die Zahl Neun. Neun ist die erste, ungerade, zusammengesetzte Zahl, die keine Primzahl ist. Zudem ist sie die letzte Zahl, die im Dezimalsystem nur eine Ziffer besitzt. Man kann sie mit jeder beliebigen Zahl multiplizieren und die Quersumme wird immer neun ergeben. Die neun ist teilbar durch eins, drei und neun; neun ist 3³. So verstarb auch Jesus in der neunten Stunde. Der Stunde des Löwen, der Besinnung und der höchsten Vollendung.


Die Neun ist eine wichtige Zahl der Transformation. Welche neun Hölzer effektiv im Bündel vorkommen, spielt keine Rolle. Die Holzwahl variiert je nach regionaler Kultur, derer Riten, der Herbalmagie und der Beschaffenheit der jeweiligen Flora. Ich persönlich lasse mich am liebsten von meiner Intuition leiten und finde es äusserst spannend zu beobachten, was einem da so ruft. Jedes Holz hat seinen Charakter und kann mit seinem Wesen unser Leben unterstützen:


Esche: Besitzt ein tiefes Wissen über die Seelengewässer und deren Seelengründe. Sie fliesst tief in die Seelenebenen ein und vermag die an den falschen Stellen gebundenen Knoten zu lösen, um ein zyklisches, harmonisches Band des Lebens zu erstellen. Die Esche verbindet uns mit der Menschenseele und lehrt uns bei der wahrhaftigen Menschwerdung. Das heisst, sie zeigt uns, was es bedeutet, Mensch zu sein. Dadurch verhilft sie uns zu besonnenen Einsichten und Taten.


Eibe: Das Holz fördert den Ahnenkontakt und die Transformation. Der Tod wird zum Lehrmeister des Lebens. Die Eibe unterstützt somit das Sterben und Loslassen alter Dinge und lässt so die Essenz des Lebens klar hervortreten. Begleitet die Visionen und stärkt das innere Wissen um die Lehre aller Dinge. Vor der Kraft der Eibe, hat kein Zauber/Trugbild bestand.


Fichte/Tanne: Das Holz hilft, uns zu erden, um wieder zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit zu kommen. Das Wachstum, die Lebenskraft, die Entschlossenheit und die Ehrlichkeit werden gefestigt, um stürmische Zeiten besser zu bewältigen. Die Tanne hilft beim Erkennen des eigenen Lichtes und der individuellen Einzigartigkeit. Das Durchlichten, das Empfangen und das Umsetzen des Lebensplanes. So weist uns ihr Wesen den richtigen Weg und gibt Klarheit bei verirrenden, verwirrenden Verstrickungen und Abhängigkeiten.


Hasel: Die Hasel lässt uns auch in der winterlichen Zeit nicht erstarren und fordert auf, uns dem Fluss des Lebens hinzugeben. Die Quelle der Inspiration, der Intuition nicht gefrieren zu lassen, die Tore der Ebenen am Leben zu erhalten und ein besseres Verständnis zur eigenen Traumwelt zu entwickeln. Flexibilität, Beweglichkeit, Leichtigkeit und die Fröhlichkeit sind der Hasel eigen.


Birke: Durch den äusseren und inneren Tanz vertreibt sie die negativen Gedanken und die Winterdepression. Sie verweist uns auf die positiven Aspekte des Lebens. Ihr inneres Kind löst Blockaden in körperlicher und seelischer Hinsicht. Auf das wir beschwingt und mit Energie unsere neuen Taten angehen können.


Eiche: Die Eiche ist ein Sinnbild für Stärke, Mut, Härte und Kraft. Die Wiederstandfähigkeit, das Durchhaltevermögen, die Charakterstärke und der Gerechtigkeitssinn der Eiche wirken aufbauend und anregend auf Geist und Seele. Dadurch steigert sich auch die eigene Konfliktfähigkeit, die Bodenständigkeit sowie die besonnene Friedfertigkeit, um fruchtende Gedankengänge zu vollziehen.


Ahorn: Der lichterne, luftige Charakter ist individuell, fröhlich und voller Leichtigkeit. Das Wesen des Ahorns bestärkt unseren Idealismus, die Freiheitsliebe, die Eigenständigkeit, die Selbstfindung und die Gelassenheit. Der Ahorn erhöht unsere Toleranz gegenüber der Vielseitigkeit. Aber auch unseren kommunikativen, nicht selbstbezogenen Ausdruck für den Ausgleich und die Harmonie.


Buche: Sie desillusioniert, bewegt uns ins Hier und Jetzt und verschafft Abstand vom verkrampften Denken. Sie macht uns geduldiger und ausdauernder beim Annehmen von dem, was ist. Sie erhöht die Toleranz und hilft uns zu akzeptieren, dass wir Andere nicht ändern können und lernen müssen uns selbst so anzunehmen, wie wir sind.


Erle: Das Wesen der Erle steht in sinnlicher Verbindung zu den Emotionen. Das Erlenwesen lehrt uns Standhaftigkeit, Schutz, Verteidigung, innere Stärke und Selbstvertrauen. Sie ist ein schützender Schild, der uns stark und doch gefühlvoll und intuitiv sein lässt. Um den Widrigkeiten des Lebens offen und eigenverantwortlich begegnen zu können. Ein Schild, der dennoch die eigenen Ansichten verteidigt und keine Grenzüberschreitungen zulässt.


 


Steven Wolf hat schon als Kind von seiner -Grossmutter altes Pflanzenwissen gelernt und weiss um die Kraft der Natur mit all ihren sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Er lebt in Escholzmatt, wo er zusammen mit seiner -Partnerin ganzheitliche Pflanzenkurse für -inte-ressierte Menschen durchführt. Im Lochweidli steht dafür eine eigens gebaute Schuljurte.


Wir alle haben es schon erlebt: In Gedanken versunken schlendern wir durch den Wald, geniessen die Stille unter dem grünen Dach aus Blättern und sind ganz bei uns selber. Der Blick schweift, ohne an einem bestimmten Objekt hängen zu bleiben. Aber dann erregt unvermittelt ein abgestorbener Baum unsere Aufmerksamkeit. Die Astgabel dort oben erinnert uns doch an ein Lebewesen! Tatsächlich, bei näherer Betrachtung und mit etwas Einbildungskraft lässt sich der Kopf eines Fischreihers ausmachen. Oder ist es eine Hundeschnauze? Es scheint, als hätte der Zahn der Zeit an dieser hölzernen Leiche genagt und eine Skulptur erschaffen.



Im Kopf abgespeicherte Bilder

Unser Erinnerungsvermögen hat verschiedene Ebenen. Das perzeptuelle Gedächtnis ist eine davon. Es hilft uns, Personen, Gegenstände und Orte wieder zu erkennen. Unser Hirn ist darauf programmiert, dauernd Vergleiche anzustellen, sei es mit Hilfe des Hörsinns oder mit dem Auge. Unbemerkt und unbewusst hat das Gedächtnis seit frühester Kindheit gespeichert, wie ein Baum, ein Ball, ein Eiszapfen – oder eben ein Tier aussieht, oder zumindest, wie es aussehen könnte. Der Hippocampus ist der Arbeitsspeicher unseres Gehirns und die Schaltstelle zwischen dem Kurz- und dem Langzeitgedächtnis, und damit eine zentrale Schaltstation des limbischen Systems. Er ist übrigens einer der wenigen Bereiche im Gehirn, wo ein Leben lang neue Nervenzellen gebildet werden können.


«Wer aufmerksam unterwegs ist, wird spannende Entdeckungen machen.»

Achtsamkeit trainieren

Es lohnt sich in jedem Fall, in freier Natur seine Sinne zu schärfen. Wälder, Seen, Flussufer und Bergregionen bringen veritable Kunstwerke hervor, die es zu entdecken gilt. Seen und Flüsse, weil an deren Ufern nach ausgiebigem Regen Schwemmholz landet, Berge, weil Wasser, Hitze und Kälte besonders im Jura den Kalkstein zu skurrilen Gebilden formen.



Wer aufmerksam unterwegs ist, wird nach einem ersten Fund garantiert weitere Entdeckungen machen. Einfach Augen auf, und seiner Fantasie freien Lauf lassen, lautet das Rezept. Der Hippocampus hilft uns dabei.

 

Tipp

Starten Sie im Kreis der Familie, unter Freund*innen und Bekannten einen Wettbewerb: Wer fotografiert bis Ende Jahr die originellsten Imitate von Tieren?




Alle Steinobjekte wurden am Hang zum Chasseral im Berner und Neuenburger Jura gefunden, die Bilder mit Holzobjekten am Bielersee geschossen. Die Tierskulpturen aus Jurakalk wurden punktuell nachbearbeitet.

Aktualisiert: 6. Sept. 2021

Kategorie: Natur

Sind Elstern geflügelte Diebe? Haben Lemminge einen Hang zum Selbstmord? Und können Frösche das Wetter vorhersagen? Wir sind einigen tierischen Legenden nachgegangen – und sind auf Überraschendes gestossen.




Vermehren wie die Karnickel

«Die vermehren sich wie die Karnickel!» Der oft abschätzig gemeinte Ausruf hat durchaus einen wahren Kern, denn Kaninchen sind tatsächlich sehr fruchtbar und vermehrungsfreudig. Der Rammler versucht meist noch in der Stunde nach der Geburt, das Weibchen schon wieder zu decken! Aber Sex ist ja nur das eine; effektive Fortpflanzung das andere. «Der Deckungsakt ist bei Kaninchen fast immer erfolgreich», sagt Julika Fitzi, Tierärztin und Leiterin der Fachstellen Tierversuche und Tierärztliche Beratungsstelle des Schweizer Tierschutzes (STS). «Man spricht von einer induzierten Ovulation: Der Deckakt löst Eisprünge aus, sodass die Spermien des Rammlers stets auf fruchtbare Eizellen treffen.» Nach einer Tragzeit von 30 Tagen werden vier bis sechs Junge geboren. Als wäre das nicht genug, verfügen weibliche Kaninchen auch noch über eine spezielle Gebärmutterform mit zwei langen Uterushörnern. So kann es vorkommen, dass das Weibchen noch während einer bestehenden Trächtigkeit im einen Uterushorn im anderen erneut trächtig wird. Diese extreme Vermehrungsfreudigkeit, die schon manchem Haustierbesitzer über den Kopf gewachsen ist, hat vermutlich einen einfachen Grund: Überleben. Als Art. Denn hinter den Kaninchen sind viele her. «Auch der Mensch bejagte bis nach dem Zweiten Weltkrieg Kaninchen und Hasen als Fleisch- und Felllieferanten exzessiv», sagt Julika Fitzi. «Würden sie sich nicht so schnell vermehren, wären sie vermutlich längst ausgestorben.»











Diebische Elstern

Jeder kennt die sprichwörtlichen diebischen Elstern, jene Menschen, welche die Finger nicht vom Glitzerzeug anderer lassen können. «Es ist erstaunlich, dass sich diese Redensart im täglichen Sprachgebrauch festsetzen konnte», findet Christoph Vogel, Rabenvogelspezialist an der Schweizerischen Vogelwarte Sempach. «Denn es gibt keine gut dokumentierten Beobachtungen, die auf ein solches Verhalten der Elstern schliessen lassen.» Er verweist auf eine Studie von Verhaltensforscher Toni Shephard und seinem Team vom Centre for Research in Animal Behaviour (CRAB) der Universität im britischen Exeter. Im Experiment wurden freilebenden Elstern Nüsse angeboten, daneben auch glänzende Objekte wie Schrauben, Alufolie usw. Das Resultat widerspricht dem Volksglauben: Bei 63 von 64 Besuchen an der Futterstelle wurden die glänzenden Objekte gar nicht beachtet respektive lösten sie nicht selten sogar Misstrauen aus und führten dazu, dass die Elstern auf das Futter, die Nüsse, verzichteten. «Wir fanden keine Hinweise darauf, dass sich Elstern von glänzenden Objekten angezogen fühlen», schliesst die Studie. Vielmehr deute alles darauf hin, dass jeder unbekannte Gegenstand Neophobie – die Angst vor Neuem – erzeugt. «Wir vermuten, dass Menschen, wenn sie Elstern sehen, die gelegentlich glänzende Objekte aufnehmen, glauben, dass die Vögel diese attraktiv finden.» Hingegen falle es nicht auf, wenn Elstern mit weniger auffälligen Gegenständen interagierten.














Der zerteilte Wurm

«Der zerschnittene Wurm verzeiht dem Pflug», schrieb einst der englische Dichter William Blake (1757–1827). Das fällt dem Wurm sicherlich leicht, denn es überleben ja beide Hälften. Oder? «Das ist leider nur eine Wunschvorstellung», sagt Lukas Pfiffner, Agrarökologe am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Wahrscheinlich stamme sie daher, dass der Mensch sich im Garten möglichst viele Regenwürmer wünsche, denn es gilt: je mehr Regenwürmer, desto besser der Boden.

Immerhin bedeutet ein Spatenstich nicht unbedingt das Ende des Regenwurms. Pfiffner: «Je weiter hinten die Trennung erfolgt, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass der gekürzte Wurm überlebt. Das abgeschnittene Stück aber stirbt ab.» Denn die wichtigen Organe wie etwa die fünf Paar Herzen (!) befinden sich etwa in der Körpermitte. Werden sie verletzt, verblutet das Tier. Doch wie erkennt man beim Regenwurm das Kopf-ende? «Mit etwas Übung sieht man, dass das Kopfende leicht konisch ist, das Schwanzende eher rund.» Im Zweifelsfall könne man sich aber auch einfach danach richten, in welche Richtung der Wurm kriecht – denn Regenwürmer bewegen sich nicht im Rückwärtsgang durchs Leben.










Die Schnecke auf der Rasierklinge

Weniger Freude haben Gärtner, wenn sie zwischen den Pflanzen auf Schnecken stossen. «In der Schweiz gibt es rund 200 Landschneckenarten, aber nur die Spanische Wegschnecke ist eine wirkliche Gartenplage», relativiert der Malakologe Jörg Rüetschi. Die Tiere wurden in den 1950er-Jahren aus den Pyrenäen eingeschleppt und erweisen sich als äusserst anpassungsfähig und zäh. Rüetschi: «Mittlerweile sind sie auf bis zu 2000 Metern über Meer sesshaft, und sie ernähren sich von allem, was sie finden, vom Salat über tote Artgenossen bis zu Hundefäkalien.» Selbst Dornen und Rasierklingen können diese und alle anderen Landschnecken nicht aufhalten – denn ihre «Füsse» berühren die scharfen Hindernisse gar nicht erst. «Schnecken kriechen immer auf einem Schleimband aus artspezifischen Substanzen, welches die Tiere vor Verletzungen schützt», so Rüetschi. Problematischer als dünne Klingen sind für Schnecken daher Bodenbeläge wie Sand, bei denen die Tiere zur Fortbewegung aussergewöhnlich viel Schleim produzieren müssen. Auch hierbei gibt es jedoch eine Ausnahme, welche die Regel bestätigt: Der Fuss der Schönen Landdeckelschnecke ist längsgeteilt. Diese Schneckenart kriecht deshalb nicht, sie schreitet!











Wetterfrösche

Steigt der Laubfrosch die Leiter hoch, wird das Wetter schön, heisst es im Volksmund. Sind Laubfrösche also die besseren Wetterfrösche als Kachelmann und Co.? «Es gibt keine Hinweise, dass Laubfrösche wirklich das Wetter vorhersagen können», sagt Mario Lippuner, Biologe und Amphibienspezialist der Zürcher Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch). «Laubfrösche gehören zu den Baumfröschen», erklärt Lippuner. «Sie leben in Büschen und Bäumen, wo sie in Höhen bis 30 Meter beobachtet wurden, und kommen praktisch nur zum Überwintern und zur Fortpflanzung auf den Boden.» In den Gehölzen beziehen die Laubfrösche Sitzwarten, wo sich die wechselwarmen Tiere selbst im Sommer stark der Sonne exponieren. Dies beschleunigt Stoffumsatz und Wachstum; die Geschlechtsreife wird früher erreicht, was die Arterhaltung wahrscheinlicher macht. Damit sie beim Sonnenbaden nicht austrocknen, schliessen sie Drüsen und halten die exponierte Körperfläche so klein wie möglich: Sie legen die Extremitäten eng an oder sogar unter den Körper. Woher die Idee des Wetterfrosches genau kommt, weiss Lippuner nicht. Vielleicht, vermutet er, wurde beobachtet, wie die Laubfrösche bei Wetterumbruch an die Oberfläche des Blattwerks der Gehölze kletterten, um ein Sonnenbad zu nehmen. Daraus schloss man, die Tiere würden den Umbruch voraussehen. «Solche Beobachtungen wurden einfach falsch interpretiert. Und manche Fehl-interpretationen halten sich bis heute hartnäckig.»

















Grillen als Thermometer

Was machte man früher, als es noch keine Smartphones gab und man die Temperatur bestimmen wollte? Man befragte die Grillen – zumindest in den USA: 1897 fand der amerikanische Physiker Amos Emerson Dolbear (1837–1910) die Formel zur Temperaturbestimmung «per Grille» heraus: Man zähle 13 Sekunden lang, wie oft die Grille zirpt, addiere zu diesem Wert 40 und erhalte die Umgebungstemperatur in Grad Fahrenheit. In der Tat ändert sich bei Grillen – wie bei allen Heuschreckenarten – die Zirp-frequenz mit der Temperatur. «Grillen sind wechselwarme Tiere», erklärt Florin Rutschmann, Grillenexperte und Schutzgebietsbeauftragter von Pro Natura Aargau. «Je wärmer es ist, desto aktiver sind sie und desto häufiger zirpen sie tendenziell.» Für Grillen ist das Zirpen eine Art Sprache. Der Spontangesang, den man beim Wandern im Frühling oft hört, klingt anders als das Zirpen zum Balzen oder das Zirpen, wenn zwei Männchen aufeinandertreffen. Gibt es auch in der Schweiz Grillen, die exakte Rückschlüsse auf die Temperatur zulassen? Rutschmann: «Beim Zwitscher-Heupferd lässt sich bei etwa 10 Grad Celsius eine deutliche Veränderung des Gesangs feststellen.» Da aber noch viele andere Faktoren die Zirpfrequenz beeinflussen können, ist man mit einem gängigen Thermometer vermutlich doch besser bedient.










Lebensmüde Lemminge

Lemminge sind niedliche kleine Nager, die zu den Wühlmäusen gehören. Bekannt sind sie vor allem deswegen, weil sie sich angeblich alle paar Jahre in einen kollektiven Selbstmord stürzen. Sogar ein Computerspiel wurde auf dieser Annahme entwickelt – die aber nur eine Mär ist. «Suizid ist kein biologisches Konzept», sagt Robert Zingg, Kurator im Zoo Zürich. In guten Jahren vermehren sich Lemminge recht ungezügelt, bis die vorhandenen Ressourcen nicht mehr ausreichen. Daraufhin ziehen die Lemminge los, um sich neue Nahrungsquellen zu erschliessen. «Dabei gehen sie zum Teil hohe Risiken ein, wenn es darum geht, Hindernisse zu überwinden», weiss Zingg. Viele Tiere lassen dabei ihr Leben, weshalb bei Lemmingen tatsächlich grosse Populationsschwankungen beobachtet werden können. «Das ist ganz einfach ein Regulativ der Natur», sagt der Kurator.

Das Märchen von den lebensmüden Lemmingen geht vermutlich zurück auf den Disney-Film «White Wilderness» aus dem Jahr 1957. Dieser zeigt die Lemminge, wie sie zuhauf in einen Abgrund stürzen, und kommentiert: «Die Lemminge erreichen den tödlichen Abgrund. Dies ist ihre letzte Chance zur Umkehr. Aber sie laufen weiter, stürzen sich in die Tiefe.» Wie sich später herausstellte, half das Filmteam bei diesen Stürzen jedoch massiv nach . . .



Die unsterbliche Qualle

Und dann gibt es da noch diese mysteriöse Qualle, die – wie alle Fans von «The Big Bang Theory» wissen – unsterblich ist. «Das stimmt so nicht ganz», berichtigt Kurator Robert Zingg. Es ist nicht so, dass die Qualle mit dem sehr klangvollen Namen Turritopsis dohrnii nicht totzukriegen ist. «Man muss es sich eher so vorstellen wie bei einer Pflanze, die einen Ableger macht», erläutert Zingg. Analog dazu kann besagte Qualle aus einer Zellmasse einen Ableger bilden, der dann als neue Qualle weiterlebt, während das ursprüngliche Tier – wie jedes Lebewesen – den Weg alles Irdischen geht. Ob diese Fähigkeit mit Unsterblichkeit gleichzusetzen ist, bleibt wohl eine philosophische Frage.












Buchtipps


Emmanuelle Pouydebat «Was Tiere können», Goldmann 2019, ca. Fr. 16.–

Emmanuelle Pouydebat

«Da drehte die Qualle die Zeit zurück», Knesebeck 2019, ca. Fr, 38.-

Helmut Höge

«Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung», Westend 2018, ca. Fr. 25.–

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